Brettspiel vorm Kopp

Internationale Spieletage Essen: Paradies für Junggebliebene, denen Gamepads zu viele Knöpfe haben, die lieber Pöppel verschieben und statt auf den Bildschirm auf bunte Pappbretter starren.

Brettspiele können rein abstrakt funktionieren, sich also allein auf Spielprinzip und Strategie konzentrieren, Beispiele: Vier gewinnt oder eine der modernen Varianten, etwa Quarto. Die meisten Spiele aber versetzen die Teilnehmer in eine künstliche Welt, bei manchen könnte man behaupten: Sie kaschieren ihre Sinnlosigkeit mit einer Fassade, die nach Abenteuer riecht. Das Geschehen wird gern in die Vergangenheit oder in fremde Länder verlegt, oder beides. Selbstverständlich sind es häufig Fantasy-Welten, die auf die bunten Spielbretter gemalt sind. Und wie sieht es mit der Science Fiction aus? Könnte man nicht herrlich bunte Spielfiguren auf fremden Planeten umherschieben oder im Cyberspace KIs hacken?
Nun ja.
Die Suche nach Spielen mit SF-Thema auf der Spielemesse gleich der Suche nach der Teekanne im Erdorbit.
Ins Auge fällt immerhin ein Spiel namens “Kosmonauts“, dessen Material in einem hübsch retro-russischen Stil designt ist. Das Spiel selbst…

… dreht sich darum, dass wir mit unseren Raumschiffen möglichst viele Planeten im Sonnensystem aufsuchen müssen (und den Halley’schen Kometen), um Punkte zu sammeln. Der Clou ist, dass sich das Raumschiff physikalisch korrekt bewegt (d.h. wenn man es in eine Richtung beschleunigt, fliegt es solange dorthin weiter, bis man in eine andere Richtung Gas gibt), und dass sich die Planeten ebenfalls bewegen. Dummerweise ist das auch schon alles, und mehr als einmal spielen muss man “Kosmonauts” nicht.

Nicht mit dem Titel nenne ich absichtlich ein weiteres Spiel, das ich aus Prinzip nach Lektüre der Beschreibung auf der Rückseite wieder weggestellt habe, ich zitiere aus dem Gedächtnis: “Dieses Spiel findet ZWAR in einem Science Fiction-Setting statt, ABER man findet sich trotzdem leicht zurecht.” (Hervorhebungen von mir). Das ist ja wohl die größte Unverschämtheit, die mir … und wer textet sowas? Jemand, der keinesfalls möchte, dass jemand das Produkt erwirbt?

Zugegeben: Es gibt natürlich den ganzen Franchise-Kram. Ein Star-Wars-Miniaturen-Spiel, bei dem man seine Tie-Fighter immerhin nicht mit Maßband, sondern mit speziell angefertigten Pappstücken vorwärts rückt, die die zurückgelegte Entfernung bemessen. Das ist aber ein altbekanntes Spielprinzip, dem man das lizenzpflichtige Logo aufgepappt hat, weil es sonst wirklich überhaupt keiner kaufen würde.

Eins hab ich noch: “Goblins, Inc.”, okay, mit Goblins, also Fantasy-Gestalten, aber immerhin bauen diese Goblins “Riesenroboter des Todes”, die dann Breitseiten Richtung Gegenseite abfeuern, denn nur der bessere gewinnt.

Die Roboter haben sogar lustige, wenngleich nutzlose Verzierungen wie zum Beispiel leicht bekleidete Goblin-Blondinen. Was auf den ersten Blick witzig klingt, erweist sich bei einem Blick auf die rechte obere Ecke des Fotos als Glücksspiel: Die Würfel bestimmen, wer was wo trifft, und die Bauplättchen zieht man natürlich blind aus einem verdeckt liegenden Haufen. Das ist auch der entscheidende Unterschied zu “Galaxy Trucker”, das so ähnlich funktioniert, aber viel weniger auf den Zufall setzt.

Natürlich greifen Boardgame-Geeks vor allem bei Spielen zu, die interessante und neue Mechanismen besitzen. Kooperative Spiele, bei denen die Teilnehmer gemeinsam gegen kämpfen, sind in, ebenso wie Deckbau-Spiele mit vielen bunten Karten. Natürlich könnte man solche Spiele ohne weiteres im SF-Genre ansiedeln, denn das ist ja nichts als eine hübsche Fassade. Aber Fantasy verkauft sich derzeit einfach besser – während man den Spieltisch mit “Kosmonauts” selbst am gut besuchten Freitag oft unbesetzt sah, gehörte schon eine Portion Glück dazu, einmal “Die Legenden von Andor” ausprobieren zu können.

Wir sind verzweifelt: Nicht nur bei den Romanen darbt die SF im düsteren Schatten der Fantasy, sondern auch bei Brettspielen. Oder? Kennt ihr gute (deutsche) SF-Brettspiele? Schreibt uns, damit wir sie einer größeren Schar von Fans bekanntmachen können.