Interview mit Joachim Reichert (TUM)

Joachim Reichert ist einer der führenden Wissenschaftler in Deutschland auf dem Gebiet der Nanoelektronik. Er arbeitet an der Technischen Universität München – wir haben ihm ein paar Fragen zu seinen neuesten Errungenschaften gestellt:

Herr Dr. Reichert, Sie sind einer der führenden deutschen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Nanoelektronik. Ihr jüngster Durchbruch war die kontrollierte Messung des Photostroms in einem einzelnen Molekül. Das klingt interessant. Erzählen Sie uns mehr!

Es ist bereits seit einigen Jahren möglich den Stromfluss durch einzelne Moleküle zu charakterisieren. Man erhofft sich dadurch Eigenschaften in diesen Molekülen zu finden, die in der Zukunft Funktionen in elektronischen Bausteinen übernehmen können. Dioden, Transistoren, Widerstände, Leitungen aber natürlich auch Stromquellen. Es gelang uns nun erstmals einen durch Licht generierten Strom in einem einzelnen Protein zu messen, welches in einen Schaltkreis integriert wurde.

Die große Herausforderung bestand dabei, das Molekül an makroskopische Elektroden anzuschließen und gleichzeitig  einem starken optischen Feld auszusetzen. Hierzu benutzten wir als eine der Elektroden ein dünn mit Metall beschichtetes Glasfragment, welches von der Innenseite mit einem Laser beleuchtet wurde. Auf diese Weise dient das Glasfragment gleichzeitig als Elektrode und als Lichtquelle.

(Quelle: Website der TUM)

In der Pressemitteilung heißt es u. a.: „Zentrales Element der Messvorrichtung sind Proteine, die sich selbst auf einer Oberfläche anordnen und kovalent über eine Cysteingruppe an diese anbinden.“ Wie schwierig wird es, diese selbstständige Anordnung industriell nutzbar zu machen, sie quasi in Serie zu produzieren?

Es ging uns bei diesem Experiment nicht so sehr um eine industrielle Nutzung der Eigenschaften dieser Proteine. Vielmehr wollten wir zeigen, dass einzelne stromgenerierende Proteine in elektrische Nanoschaltkreise integriert werden können und dabei ihre optischen Eigenschaften beibehalten. Wir benutzten dazu die Fähigkeit der Moleküle, sich selbst auf einer Metalloberfläche anzuordnen und anzubinden. Diese Selbstanordnungsmechanismen werden bereits teilweise industriell genutzt. Es handelt sich dabei um einen hochgradig parallelen und kostengünstigen Prozess, der sicherlich bei der Herstellung von Nanostrukturen in der Zukunft eine noch größere Rolle spielen wird.

 

Das Magazin „PC Welt“ titelt: „Computer-Zukunft – Chemie statt Silizium“. Die PC Welt geht dabei auf die Forschungen des Briten Andrew Adamatzky ein, der auf Basis der „Belousov-Zhabotinsky-Reaktion“ neuartige Computer entwickeln möchte. Spielt Ihre Entdeckung hierbei auch eine Rolle (konkret: zur Energiegewinnung)?

Man kann auch mit einer Handvoll Mäuse und einem Labyrinth einen Computer bauen. Dieser wird nur – ähnlich wie ein Computer, der auf zyklischen chemischen Reaktionen basiert – nicht sehr schnell und effizient sein. Der Trend in der Computertechnologie geht offensichtlich in eine andere Richtung und wir unternehmen tatsächlich intensive Anstrengungen Informationsverarbeitungstechnologie in dieser Hinsicht zu verbessern.

 

Als Vorbild Ihres Messsystems diente eine Blaualge, die ein ähnliches Verfahren bei ihrer Photosynthese anwendet. Leider werden immer größere Teile unserer Natur zerstört oder kontaminiert. Verspielt die Menschheit hier nicht eine große Chance, um von der Natur zu lernen und sie in unseren Fortschritt zu integrieren?

Seit Menschengedenken bedient sich der Mensch aus Vorlagen der Natur. Als bestes Beispiel muss man hier wohl die frühe Entwicklung von Flugapparaten anführen. Auch die modernsten Flugzeuge bestehen heute aus einem Rumpf und zwei Flügeln; genau wie ein Vogel. Ähnliche  Beispiele findet man in anderen Fachbereichen: vom Penizillin  bis zur Kernfusion. Andererseits finden wir insbesondere in den Nanowissenschaften auch Effekte aus der Quantenmechanik, die nicht offenkundig in der Natur genutzt werden. Das Verständnis solcher Effekte könnte beispielsweise zur Entwicklung von Quantencomputern führen. Es ist wohl wie immer die richtige Mischung, die einen guten Fortschritt ausmacht.

 

U. a. durch diese Entdeckung haben Sie einen Teil zur Energiewende beigetragen. In welchen Gebieten könnte die neue Methode zum Einsatz kommen (die Computertechnik haben wir oben ja schon angesprochen) und in welchen (neuerdings auch vom Freistaat Bayern geförderten) Gebieten neuartiger Energiegewinnung forschen Sie noch?

Wie schon gesagt zielte unser Experiment nicht darauf ab, eine neue Technologie für einen Solarpark in der Sahara zu entwickeln. Um daraus eine Technologie zur Energiegewinnung zu machen ist es noch ein weiter Weg. Dazu benötigt man das volle Programm vom Materialwissenschaftler über den Ingenieur bis hin zum Wirtschaftswissenschaftler.

 

Welche Schwierigkeiten gilt es für die praktische Anwendung Ihres Messsystems (und dessen Folgeentwicklungen) noch zu überwinden?

Es gibt zahlreiche technische Herausforderungen auf dem Weg zu einer praktischen Anwendung. Eine physikalische Einschränkung stellt zudem sicherlich die niedrige Lichtabsorption eines einzelnen Moleküls dar. Auf dem Weg durch einen Baum durchläuft das Licht zahlreiche Blattschichten, Zellmembranen und photosynthetische Proteine. Auf dem Boden kommt fast kein Licht mehr an. In einem einzelnen Protein werden jedoch nur drei von tausend Photonen absorbiert. Anschließend findet dann allerdings immer eine Ladungstrennung in dem Protein statt. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber herkömmlichen Solarzellen, bei denen Ladungsrekombination immer in Konkurrenz mit der Ladungstrennung steht.

 

Arbeiten Sie auch interdisziplinär mit anderen Forschern zusammen, z. B. auf dem Gebiet der Biochemie oder Nanorobotik?

 

Molekularelektronik ist, wie der Name schon impliziert, ohne interdisziplinäre Forschung nicht möglich. Physik, Molekularbiologie sowie Chemie spielen hierbei eine große Rolle. Glauben Sie, dass Nanoroboter irgendwann einmal autarke Systeme bilden könnten, die sich selbst reproduzieren, reparieren und mit Energie versorgen?

Nein, eigentlich nicht. Zumindest nicht „Nano“. Viele Menschen können sich nur schwer vorstellen wie klein ein Nanometer ist. Bindungslängen zwischen Atomen werden in zehntel Nanometern gemessen. Alle von Ihnen geforderten Funktionen auf so wenig Raum unterzubringen ist sicherlich in absehbarer Zukunft weder sinnvoll noch möglich. Die einzelnen Funktionen im „ganz Kleinen“ zu erforschen ist doch schon mal ein Anfang und wenn Sie Ihren Nanorobotern weniger Funktionalität mitgeben möchten, dann gibt es sie bereits. Ähnlich wie in der Natur Erbgut vervielfältigt wird, kann man im Labor kleine DNA-Fragmente herstellen, die sich selbst zu roboterähnlichen Gebilden zusammensetzen.

 

Bei den Recherchen für dieses Interview stieß ich auf eine Website der TUM, wo neben neuen Errungenschaften auch immer wieder Fotos von gemeinsamen Wanderungen zu sehen waren. Wie wichtig ist Ihnen ein solches Teamwork, das auch in die Freizeit hinein reicht?

Unsere Arbeit ist stark interdisziplinär. Der einzelne kann nicht alles wissen oder können. Jeder trägt mit der von seiner eigenen Disziplin geprägten Betrachtungsweise zur Lösung eines Problems bei. Ohne ein funktionierendes Team geht nichts.

 

Wissenschaftler haben offenbar keine Probleme damit, Berufliches mit Privatem zu kombinieren. So gibt es in Amerika z. B. einige Hirnforscher, die in ihrer Freizeit Gedichte schreiben und diese auch in ihren Fachpublikationen veröffentlichen. Sind Wissenschaftler am Ende gar nicht solche „grauen Mäuse“, als die sie von den Medien oft hingestellt werden?

Aus Ihrer Behauptung, dass Wissenschaftler keine Probleme damit haben, Berufliches mit Privatem zu kombinieren könnte man auch schließen, das sie in ihrer Freizeit genau die gleichen Nerds sind wie in Ihrem Beruf. Wie immer – und wie vermutlich auch in allen anderen Berufszweigen – liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen.

 

Zum Schluss noch eine fachliche Frage: Welche Ziele haben Sie für die nahe Zukunft? Sind Projekte dabei, mit denen Sie den Nobelpreis gewinnen könnten oder handelt es sich doch eher um „Basisforschung“?

Mir fällt im Augenblick kein einziger Physik-Nobelpreis ein, der nicht für Grundlagenforschung vergeben wurde.

 

Danke für dieses Interview!

 

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