Wenn tote Menschen wiederkommen: “The Returned”

Christian Kathan hat sich in unserem Auftrag zur Premiere von “The Returned” begeben und einige interessante Entdeckungen und Gedanken mitgebracht …

Morgens, halb Zehn in Berlin – ich betrete das „Cinema Paris“, ein traditionsreiches Kino auf dem Berliner Kudamm, das nahezu ausschließlich französische Filme zeigt. Sofort werde ich von einer jungen Frau freundlich begrüßt und gegen Garderobenmarke um meine Jacke erleichtert. An einem Anmeldecounter werde ich schon erwartet: »Ah, ja, der Herr von Deutsche Science Fiction!«. Es ist ein kurioses Gefühl, als „Herr“ bezeichnet zu werden. Sollte ich mich jetzt geschmeichelt oder eher alt fühlen?

 

Ich komme nicht wirklich dazu, darüber nachzudenken. Mir wird ein neongelbes Bändchen ums Handgelenk getackert und Julian kommt auf mich zu, ein sympathisches und herzlich strahlendes Bärchen. Er zeigt mir die Räumlichkeiten und überprüft, ob mein Interviewtermin eingetaktet ist. Dann wartet ein französisches Frühstücksbuffet auf mich. Bei Mehrkornbrötchen, hervorragender Paté und richtig gutem Brie gehe ich nochmals meine Notizen und Informationen durch.

 

Das Frühstückchen habe ich einer Einladung des Video-Streaming-Dienstes Watchever zu verdanken. Der französische Online-Serien-Guck-Anbieter ist eine Tochtergesellschaft von Vivendi, dem größten französischen Medienkonzern, und hatte „Deutsche Science Fiction“ zur Presse-Vorpremiere einer neuen Serie eingeladen: die französische Produktion „The Returned“, in der es um die mysteriöse Rückkehr verstorbener Menschen in das Leben ihrer Hinterbliebenen geht.

Nun sitze ich frühstückend, warte auf den Beginn der Vorführung der ersten Serienepisode und denke darüber nach, wie man eine Brücke schlagen kann zwischen »Deutscher SF« auf der einen Seite und einer französischen Mystery-Grusel-Serie auf der anderen. Zunächst fällt mir nur das Stichwort »deutsch-französische Freundschaft« ein und ich beschließe, noch etwas von dem ausgezeichneten Lachs zu nehmen.

Es geht in den Kinosaal und schon als die ersten Bilder auf der Leinwand erscheinen, wird mir klar: „The Returned“ ist zwar eine französische Serie, aber keine Serie nur oder primär für Frankreich. Die Inszenierung wirkt vollkommen international, die Bildchoreografie ist nicht übermäßig regional geprägt und das französische Bergdorf, in dem die Handlung spielt, könnte auch in Deutschland, Nordeuropa oder Kanada liegen – eindeutig wird hier ein globales Publikum angesprochen. Aufgrund des Fehlens von obsessiven Produktplatzierungen wirkt es zwar, dass die Handlung nicht in den USA spielt, und einige wenige Darsteller sind relativ typisch für französische Produktionen besetzt, doch das wirkt auf mich eher charmant und angenehm. Wohltuend empfinde ich auch, dass die zurückkehrenden Toten der Serie keine menschenfressenden Zombies sind, sondern scheinbar einfach so wieder da sind. Das ist eher spannend und SF-artig als gruselig oder gar splatterhaft. Der äußerst stimmungsvolle Soundtrack der schottischen Band Mogwai tut sein Übriges, dass ich diese erste Episode der Serie gut unterhalten genießen kann.

Nach dem Preview sitze ich noch mit Stefan Schulz zusammen, dem Geschäftsführer von Watchever. Wir sprechen über die Ausrichtung der Serie auf eine globale Zielgruppe, über den überraschenden Erfolg des Streamingdienstes und natürlich über „The Returned“. Schnell wird klar, dass wir uns gut verstehen und ähnlich denken.

»Dieses Projekt ist neben „Catching Fire“, dem zweiten Tribute-von-Panem-Film, das wichtigste Produkt des Konzerns«, erläutert Schulz. »Es ist perfekt für den nicht-linearen Konsum zugeschnitten. Im Mainstream-Free-TV hätte so ein Format kaum eine Chance, aber ein Streamingportal ist ideal für die Geschichte, die wir hier erzählen.« Da kann ich nur zustimmen und erfahre, dass Watchever liebend gern künftig eigene Produktionen in Deutschland machen will. »Science Fiction?«, frage ich. »Vielleicht«, so die Antwort. »Alles steht und fällt mit den Plots und den Drehbüchern. Die Stoffe, die meist angeboten werden, sind zu altbacken und zu konventionell angelegt. Modulare und nicht-lineare Konsumgewohnheiten werden nicht aufgegriffen. Der Aufwand einer Serie, die einmal pro Woche zu einer festen Zeit im Free-TV ausgestrahlt wird, und dabei erfolgreich sein soll, ist nur mit extrem viel Geld zu realisieren – und zudem muss man ein solches Format dann um viele spannende Aspekte kürzen, quasi mainstreamen. Sehr zukunftsorientiert wäre das nicht.« In der nächsten Viertelstunde sprechen Schulz und ich über die Verfügbarkeit guter, fantastischer Stoffe und fähiger Plotautoren in Deutschland. Unsere Interview-Zeit vergeht wie im Flug und als ich Herrn Schulz die Hand schüttle, habe ich ein gutes Gefühl.

Julian nickt mir noch einmal zu, während ich das „Cinema Paris“ verlasse. Während ich meine Jacke anziehe und in die Kühle des Tages zurückkehre, verstehe ich, dass wir uns durch die Globalisierung der Videogewohnheiten und aufgrund der internationalen, modularen Streamingangebote in einer Umbruchphase der Serienformate befinden – was vielleicht auch zu einer differenzierten Betrachtung und veränderten Definition des Begriffs „Science Fiction“ führen könnte.

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