Game-Test: “Stellaris”

StellarisWenn ein deutscher Publisher (Koch Media) ein SciFi-Game produziert und herausbringt, ist uns das natürlich einen genaueren Blick wert. Auch wenn das Spiel von Paradox Interactive in Schweden programmiert wurde. Dieses Studio ist für anspruchsvolle Strategiespiele bekannt: Europa Universalis und Crusader Kings seien als Beispiele genannt. Wenig erstaunlich, dass uns ein paar Elemente aus diesen Spielen bekannt vorkommen. Aber greifen wir nicht vor. Worum geht es in Stellaris?

“Stellaris” ist ein 4X-Spiel. Die vier x des Genres stehen für explore, expand, exploit, exterminate. Es geht also darum, die Galaxis zu erforschen, die eigene Einflusszone auszudehnen, die eigene Fraktion durch Forschung weiterzuentwickeln und am Ende die anderen zu dominieren. Um zu gewinnen, müssen üblicherweise gewisse Bedingungen erreicht werden – und damit sind wir bereits bei einer Schwachstelle von “Stellaris”, denn in der vorliegenden Version gibt es nur zwei solche Siegbedingungen. Anders als andere Vertreter des Genres (z.B. “Galactic Civilizations”, “Endless Space”) läuft “Stellaris” nicht rundenbasiert, sondern in Echtzeit ab. Man kann das Spiel aber jederzeit pausieren, um in Ruhe nachzudenken, schwierige Entscheidungen zu treffen oder einen Tee zu kochen. Auch beschleunigen lässt sich der Ablauf. Die Galaxis ist mehr oder weniger auf zwei Dimensionen komprimiert, aber das sehen wir dem Spiel nach, denn in dreidimensionalen Karten verliert man schnell die Orientierung.

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Wer 4X-Games kennt, findet sich in der aufgeräumten Bedienoberfläche schnell zurecht. Wir können Forscher, Admiräle oder Gouverneure einsetzen (die übrigens altern, sterben oder abgewählt werden können), Raumschiffe bauen oder weiterentwickeln. Forschungsschiffe senden wir in Nachbarsysteme, Konstruktionsschiffe bauen Stationen, die Ressourcen abbauen, Kolonieschiffe verbreiten unser Volk auf lebensfreundliche Planeten, die gegebenenfalls zunächst terrageformt werden müssen. Auf Planeten entstehen Bauwerke, die wiederum Ressourcen erzeugen. Bisweilen finden wir Spuren antiker Aliens oder begegnen fremden raumfahrenden Völkern und nehmen dipolomatische Beziehungen auf – oder schicken eine Flotte Kampfschiffe rüber. Raumkämpfe mit ihrem fröhlichen Laser- oder Kanonenfeuer dürfen wir beobachten, selbst zum Steuer oder Feuerknopf greifen wir aber nicht. Manchmal müssen auch Weltraumpiraten ausgeschaltet werden.

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Bemerkenswert ist die Anzahl verschiedener Systeme und Alien-Völker, denen wir begegnen. So finden wir nicht nur eine Handvoll, sondern zwanzig oder dreißig andere Völker unterschiedlicher Ausprägung vor – manche freilich nur in Form von Trümmern, weil sie von ihren expansiven Nachbarn längst überrollt worden sind. Die Fremdartigkeit der Aliens zeigt sich nicht nur im Aussehen des jeweiligen diplomatischen Bevollmächtigten und in politischen Attributen, sondern auch an den Raumschiffen. So besuchen auch mal geheimnisvolle quallenähnliche Gebilde ein eigenes Sonnensystem, nur um nach dem Wiederaufladen des Warpantriebs wieder zu entschwinden.

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Ist man anfangs hauptsächlich damit beschäftigt, die Nachbarsysteme auszukundschaften, so ist es damit irgendwann vorbei, nämlich wenn man die Grenzen fremder Gebiete erreicht. Dann hilft nur noch ein bewaffneter Konflikt, um sich auszudehnen, und der gestaltet sich kompliziert. Im Geflecht diplomatischer Verknüpfungen fühlt man sich bisweilen etwas ohnmächtig. In dieser Hinsicht erinnert das Spiel stark an die ebenfalls sehr politischen historischen Spiele von Paradox. Denen entstammt übrigens anscheinend auch der Bildgenerator, der Profilfotos aller Figuren im Spiel durch geringfügige Abwandlung von Haut und Haaren erzeugt – die menschlichen Frauen schielen beispielsweise alle gleich entnervt in die Kamera.

Während Stabilität, Nutzeroberfläche, Grafik und Soundtrack durchaus überzeugen können, gibt es Abzüge in der B-Note in der Kategorie sense of wonder. Entdeckungen arkaner Artefakte beschränken sich auf einen Dialog mit briefmarkengroßer Illustration, Text und Button. Auch die fremdartigsten Aliens oder schrägsten Ereignisse (Projektile, die vor Jahrmillionen aus einer anderen Galaxis abgefeuert wurden und um ein Haar ausgerechnet unser Forschungsraumschiff zu Klump schießen!) bleiben farblos. Viele Illustrationen sind durchaus ansprechend gemalt, wo animierte 3D-Modelle vielleicht zeitgemäßer wären und mehr Möglichkeiten bieten würden. Trotzdem können wir viel Zeit mit dem Spiel verbringen: Zig spielbare Zivilisationen plus die Möglichkeit, eigene zu gestalten, sowie eine offene Schnittstelle zum Steam Workshop – das bedeutet immer neue Herausforderungen. Unser letzter kleiner Kritikpunkt ist die deutsche Übersetzung: Die Stimme des Beraters ist und bleibt englisch, und einige Texte wurden nicht optimal übertragen.

Der Multiplayer-Modus, bei dem jeder Teilnehmer eine Fraktion übernimmt, haben wir nicht getestet.

Unter dem Strich ist “Stellaris” empfehlenswert für Fans von 4X-Games und solche, die es werden wollen. Für Casual Gamer sind 4X-Spiele generell zu komplex und umfangreich. Fans von Weltraum-SciFi kommen auf ihre Kosten, ohne aber vom Hocker gerissen zu werden.

“Stellaris” ist im Handel erhältlich auf DVD und online (Steam) und läuft auf Windows, Mac OS X und Linux bei moderaten Hardwareanforderungen. (Getestet haben wir unter Windows 10 und Linux.)

Wertung-4-Sterne