Kategorie: Rezensionen

Rezension: “Drei Phasen der Entwurzelung oder Die Liebe der Schildkröten” von Lisa J. Krieg

Der Debütroman von Lisa J. Krieg (hier auf unserer Seite findet sich ihre Kurzgeschichte “Ranya stürzt ab”) spielt in einer Zukunft, in der die Klimakatastrophe bereits stattgefunden hat. Die Lebensumstände haben sich drastisch geändert, und zu allem Überfluss hat sich die Fortpflanzungsfähigkeit der Menschen entscheidend verringert. Vor diesem Hintergrund erleben wir in dem dreiteiligen Buch drei Geschichten um drei Generationen: Denn die Hauptfiguren sind eine Frau, deren Tochter sowie in Teil 3 deren Tochter.

Um genetische Schäden von befruchteten Eizellen zu reparieren, werden tierische DNA-Stränge verwendet, was zwar die Überlebenschancen von Neugeborenen erhöht, aber drastische Folgen für deren Eigenschaften und Erscheinungsbild hat. So “hybridisierte” Menschen werden einerseits ausgegrenzt, andererseits sind sie die letzte Hoffnung der Menschheit. In Teil 1 und 2 erleben wir den Versuch, das Rote Meer zu kolonisieren, und nicht ganz unerwartet spielen Schildkröten dabei eine gewisse Rolle. Am Ende von Teil 2 gibt es ein Ereignis, in dessen Folge die Hauptfigur an Land zurückkehrt. Deren Tochter findet und erforscht in Teil 3 einen Wald, den es eigentlich nicht geben dürfte. Mehr vom Inhalt sei nicht verraten, denn die fantastischen und doch irdischen Welten, die die Autorin erfunden hat, sollen durchs Lesen erfahren werden.

Die Autorin nimmt uns mit in fremde Länder und Gegenden und beschreibt sie durch die Augen ihrer Hauptfiguren. Das alles ist so farbig und ideenreich, dass man sich wirklich darauf einlassen muss, und spätestens in Teil 3 wird die Handlung so abgefahren und surreal, dass man keine gängigen Maßstäbe mehr anlegen kann. Es gelten eigene Regeln und bisweilen fragt man sich, was eigentlich gerade im Rest der Welt geschieht – das bleibt aber außen vor. Die Geschichte ist auf das Schicksal der Hauptfiguren in drei Generationen fokussiert und nicht auf den Weltenbau. Während man dem Roman also ein sehr hohes Maß an Ideenreichtum und sense of wonder attestieren kann, wird der eine oder andere Leser einen klassischen Spannungsbogen womöglich vermissen oder die eine oder andere erzählerisch etwas langatmige Stelle identifzieren.

Unter dem Strich ist “Drei Phasen der Entwurzelung” von Lisa J. Krieg ein Ideenroman für Menschen, die sich gerne in fremden, aber gar nicht so fernen Welten verlieren.

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Rezension: “Shadowrun – Wendigos Wahrheit” von David Grade

Wir hatten ja bereits einmal einen Shadowrun-Roman von David Grade rezensiert und waren seinerzeit positiv überrascht. Aktuell liegt das neue Werk des Autors vor: “Wendigos Wahrheit”.

Die Hauptfigur ist die auf dem Cover abgebildete Hermine Wendigo, eine Zwergen-Seniorin, die als Privatermittlerin in Dortmund arbeitet.

Der Autor inszeniert den Roman anfangs als film noir. So setzt er nicht nur ein Zitat von Philip Marlowe vor den Roman, sondern beginnt auch mit der klassischen Szene, mit der (gefühlt) jede Detektivgeschichte anfängt: Ein Klient betritt das Büro und erteilt einen Auftrag. Im vorliegenden Fall möchte der sichtlich mitgenommene Klient, dass Wendigo den Mord an seiner Frau aufklärt, den die (in Shadowrun bekanntermaßen korrupte) Polizei als unlösbar betrachtet. Schnell wird klar, dass die organisierte Kriminilatät dahinter steckt und Wendigo es mit Gegnern zu tun bekommt, die für eine ältere Zwergin nicht nur im Hinblick auf den Körperbau eine Nummer zu groß sind.

“Wendigos Wahrheit” erzählt keinen klassischen Shadowrun, es wird also keine Gruppe aus Magier, Hacker und Kämpfern zusammengestellt, die in einen Konzern-Tresorraum eindringen. Vielmehr erleben wir einen klassischen, und, soviel sei vorweggenommen, wenig überraschenden Plot, der sich um Zeugenbefragungen, Sichten von Beweismitteln und Suche nach dem Motiv dreht – nur eben nicht in einer regnerischen amerikanischen Großstadt, sondern im Rhein-Ruhr-Megaplex, konkret hauptsächlich in Essen und Dortmund.

Damit sind die größte Stärke und Schwäche des Romans bereits beide genannt: Einerseits macht es Spaß, durch das stark verfremdete Ruhrgebiet zu ziehen und in Imbissbuden brummigen Trollen zu begegnen. Andererseits wirkt die Hauptfigur zu keinem Zeitpunkt selbst in die Handlung involviert, man möchte sogar sagen: Sie hat den für sie absehbar extrem gefährlichen Auftrag nur angenommen, damit der Roman überhaupt stattfinden kann.

Zwar bemüht sich der Autor redlich um interessante, kreative Erzählweise (der größte Teil ist eigentlich eine Rückblende), das kann aber kaum kaschieren, dass hier die typischen Versatzstücke von Shadowrun ziemlich gewollt in eine Detektivgeschichte gepresst werden. Sogar der gefürchtete Deus ex Machina – ein überraschend mächtiges Artefakt, das vorher nicht weiter auffiel – muss herhalten, um Wendigo mehrfach das Leben zu retten, was übrigens für den Rest der Figuren eher nicht gilt: Diese fallen dem einen oder anderen Gemetzel zum Opfer, das, mutmaßlich den Vorlieben der typischen Leserschaft zuliebe, desöfteren äußerst blutig und menschenfeindlich ausfällt.

Anzumerken bleibt noch, dass der Roman etwas bietet, das man in aktuellen TV-Serien “diversen Cast” nennen würde. Ich habe nicht nachgezählt, würde aber wetten, dass ziemlich genau Parität zwischen den Geschlechtern herrscht, bis hin zur Spitze der Mafia, die von einer Frau besetzt ist. Verschiedene Hautfarben kommen genauso vor wie eine (man möchte fast sagen: obligatorische) Nebenfigur undefinierten Geschlechts, für die dann das Fürwort “ty” herhalten muss. Gegendert wird bis hin zu “die Wachenden” statt “die Wachposten”. Schön, dass in der sechsten Welt alles bunt und gleichberechtigt ist, und Wendigo fast überall eine Trittstufe bereitgestellt wird – es wirkt aber mehr gewollt als selbstverständlich. Nicht nur solche Szenen erscheinen oft etwas in die Breite getreten – viele Dialoge und Nebenhandlungen bringen den Roman nicht vorwärts, aber irgendwie dennoch auf 360 Seiten, damit Fans möglichst lange in ihre Shadowrun-Welt eintauchen können. Wer den Mord begangen hat, erfahren wir als Leser schon sehr früh – das hilft nicht gerade, die Spannung aufrecht zu erhalten.

Unter dem Strich ist der Roman sicher ein Fest für Shadowrun-Fans, alle anderen (selbst film noir-Freunde) werden wohl nicht allzu viel damit anfangen können.

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Rezension: “Wie ich mit Jesus Star Wars rettete” von Joachim Sohn

Nachdem wir in unserer Rezension zum ersten Roman (“Wie ich Jesus Star Wars zeigte”) von Joachim Sohn dem Jesus-Zeitreise-Thema durchaus etwas abgewinnen konnten, haben wir uns nun auch die kürzlich erschienene Fortsetzung zur Brust genommen.

Das Geschehen schließt nahtlos an das Ende des ersten Romans an und bezieht sich vielfach darauf, so dass es keinen Sinn ergibt, ihn unabhängig zu lesen oder zu beurteilen.

Nachdem der Protagonist und Zeitmaschinen-App-Erfinder Florian Schneider ohne große Rücksicht auf Verluste im ersten Band Jesus dazu brachte, statt des Christentums die Jedi-Religion zu begründen, um zu beweisen, dass Religionen inhaltlich weitgehend austauschbar sind, musste er feststellen, dass die komplett veränderte Gegenwart (im wesentlichen Star Wars) auch kein Zuckerschlecken ist. Daraufhin beschließt der Protagonist, alles rückgängig zu machen, indem er erneut Jesus in der Vergangenheit aufsucht, um ihn von der Jedi-Sache wieder abzubringen.

Abgesehen davon, dass der Autor an dieser Stelle eine nicht endgültig geklärte Bobby-Ewing-Wendung (alles nur geträumt?) einbaut, ergibt sich aus dieser Anfangssituation eine völlig andere Basis für die Erzählung als im ersten Band: Denn ihm bleibt jetzt gar nichts anderes übrig, als die Evangelien nachzuerzählen. Dabei werden Jesu Wundergeschichten durch Zeitreisen oder billige Taschenspielertricks ermöglicht und langatmig nacheinander abgearbeitet – was übrigens aus Sicht der Religionskritik ins Leere geht, weil die ganzen Wunder sowieso nur glorifizierende Übertreibungen der Schreiberlinge viel späterer Jahre sind und eben keine Augenzeugenberichte. Vor allem aber wird so der größte Teil des Romans vollkommen vorhersehbar und leider ziemlich langweilig.

Erst etwa 35 Seiten vor Schluss, bei der Passionsgeschichte, geschieht endlich etwas Überraschendes, soviel sei verraten.

Immerhin schafft der Autor es, historische Fakten einzuflechten und einiges an Lokalkolorit rüberzubringen, obwohl die Figuren nur dann auf moderne Umgangssprache verzichten, wenn konkrete Bibelzitate rezitiert – Entschuldigung, vorproduziert – werden. Das vermutliche Anliegen des Autors, erneut die Austauschbarkeit von Religionen und deren Entstehung durch Mechanismen der Tradition zu untersuchen, blitzt gelegentlich in klugen Absätzen auf. Hauptsächlich aber handelt es sich bei dem Roman um zig Kürzest-Zeitreise-Tricks ohne besonderen Tiefgang oder Spannung. Die hauptsächlich der Bibel folgende Handlung lässt für Kreativität einfach keinen großen Spielraum. Das ununterbrochen bemühte Instrumentarium von Zeitreise und Teleportation ist hier nichts anderes als der deus ex machina, der Gott aus der Maschine, ohne den die Story schlicht nicht existieren könnte. Im Grunde machen sich Autor und Protagonist in dieser Geschichte selbst zu allmächtigen Wesen, die eigentlich am liebsten überhaupt keine Religion stiften würden – bloß lässt ihnen die Menschheit einfach keine andere Wahl. Das ist durchaus eine interessante These, die aber weder die Menschheit noch das Buch retten kann.

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Rezension: “Nanopark” von Uwe Hermann

Willkommen in der perfekten Illusion.

Wer Vergnügungsparks und deren Achterbahnen liebt, weiß, was zur Perfektion noch fehlt. Die abblätternde Farbe, die unbelebten, sich dennoch bewegenden Puppen, das fehlende Erlebnis einer realen Weltraum-, Unterwasser- oder Flugreise.

In Uwe Hermanns Park der Zukunft verbergen Nanoroboter, die eingeatmet in verschiedenen Bereichen des Gehirnes andocken, die Realität und mischen sie, von einem mächtigen Computer gesteuert, mit jeglicher denkbarer Illusion.

Der Körper wird an der Nase herumgeführt, riecht, sieht und reagiert auf die Illusion, die die Parkbetreiber vorgesehen haben.

Ein perfektes Erlebnis. Fake-Ferien der Sonderklasse.

Aber haben Sie auch die Gesundheitserklärung unterschrieben? Denn die Illusion könnte zuviel für ihr Herz sein.

 Im Thriller von Uwe Hermann wird dieser Park für viele Besucher zu einem wahren Alptraum.

Skrupellose Kriminelle, die nicht vor Mord zurückschrecken, bemächtigen sich der Kontrolle über den Zentralrechner, verriegeln die Tore und nehmen so alle Besucher und die Mitarbeiter als Geiseln.

Im Innern bricht Chaos aus, als die Attraktionen des Parks außer Kontrolle geraten und die Besucher in Panik geraten.

Mittendrin ein ehemaliger Polizist, der einen vermeintlichen Selbstmord im Auftrag einer Versicherung untersuchen soll.

Zusammen mit Hannah, einer Programmierin des Parks, versucht Simon Klein gegen die Kriminellen vorzugehen.

Beide Seiten, Gut wie Böse, setzen die perfekte Illusion der Nanos ein, um sich Vorteile zu verschaffen.

Uwe Hermann nutzt geschickt die Implikationen einer solchen Technik, um eine teils sehr brutale Geschichte zu erzählen.

Menschen sterben, einige Nebenfiguren werden binnen weniger Seiten eliminiert.

All das unterhält und nutzt bekannte Versatzstücke aus Film, Fernsehen und Buch. Zwischen „Yippie Ya hey, Schweinebacke!“, Westworld, Phantasialand und den blühenden Landschaften im Osten, samt sich im Licht sonnender Politiker langweilt der Thriller keine Minute.

Ein Kurzauftritt von “Ulrich” Post rundet das Ganze auch noch ab.

Danke an Uwe Hermann. Es hat Spaß gemacht, das Buch zu lesen.

“Nanopark” erschien im Polarise-Verlag und ist als E-Book und Paperback überal zu haben, wo es Bücher gibt.

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Rezension: “Der Zef´ihl, der vom Himmel fiel” von Dieter Bohn

Adrian Deneersen, einem Datendieb, gelingt es mithilfe einer List, sich seinem Prozess und dem sicheren Todesurteil durch Flucht zu entziehen. Er landet mit einer Rettungskapsel auf einer fremden, mittelalterlichen Welt, wo ihn der Herrscher des Landes Kofane zwingt, für ihn zu arbeiten. Er wird zum “Zef´ihl” ernannt, eine Mischung aus Magier und königlicher Berater, der sein überlegenes Wissen dazu einsetzen soll, Kofane vor der Eroberung und Zerstörung durch das Reitervolk der Masuti zu retten. Adrian fügt sich, nicht zuletzt weil er beginnt, sich unter den menschenähnlichen Einheimischen zu Haus zu fühlen. Er versucht alles, mit den verfügbaren Arbeitskräften und Ressourcen Waffen herzustellen, mit denen die zahlenmäßig weit überlegenen Invasoren aufgehalten werden können. Doch das ist gar nicht so einfach, weil seine Kenntnisse auf Schulwissen beschränkt sind und er sich an vieles nur vage erinnert. Und selbst wenn er erfolgreich sein sollte, hat er immer noch das Problem, dass die Mächtigen, die ihn nach wie vor verfolgen, nicht ruhen werden, solange er lebt.

Die kurze Inhaltsangabe macht deutlich, dass “Der Zef´ihl, der vom Himmel fiel” viele gängige SF-Motive aufgreift und variiert. Am meisten erinnert Dieter Bohns Buch an Arkadi und Boris Strugatzkis Roman “Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein” aus dem Jahr 1964, der 1971 erstmals auf Deutsch erschien. Beide spielen auf einem Planeten mit menschenähnlichen Bewohnern, in einer feudalen Gesellschaft, deren Entwicklung dem Mittelalter der Erde ähnelt. Wie Anton im russischen Roman darf Adriaan eigentlich nur beobachten und sich auf keinen Fall einmischen. Beide leben unerkannt unter Fremden – und beide höchst privilegiert –, bis es zu einer Krise kommt, die sie Partei ergreifen und in Aktion treten lässt.

Hier ist es mit den Parallelen auch schon vorbei. Denn anders als bei den Strugatzkis ist sich in Bohns Roman zumindest der Herrscher bewusst, welches Potenzial sein “Gast” ihm bietet. Er ist vom ersten Kapitel an Herr der Lage und zieht von der Androhung roher Gewalt bis zu subtiler Verführung alle Register, um Adriaan zur Kooperation und zum Eingreifen zu bewegen. Während Anton die fortschrittlichste Technik zur Verfügung steht, hat Adriaan nur das Wenige zur Hand, an das er sich erinnern kann und das die Handwerker der Stadt mit ihren begrenzten Mitteln herzustellen vermögen – manchmal mehr schlecht als recht.

Bohn schildert den Prozess der Produktion von Schutzkleidung, Waffen und Sprengstoff sehr anschaulich und detailliert, die Erfolge ebenso wie die Rückschläge, ohne dass dabei jemals Langeweile aufkommt. Das liegt vor allem an den vielen interessanten Figuren, mit denen es Adriaan in der Hauptstadt Kofanes zu tun bekommt. Wie auch der Protagonist selbst sind diese Männer und Frauen mit all ihren Stärken und Schwächen gezeichnet, sei es ihre Gewitzt- oder Beschränktheit, Hingabe oder Sturheit, Aufopferungsbereitschaft oder auch Brutalität. Dabei entsteht nie der Eindruck, der Erzähler würde auf die “Primitiven” herabblicken. Im Gegenteil: Immer wieder ist es Adriaan, der sich dazu gezwungen sieht, sich lächerlich zu machen, zum Beispiel bei seinen öffentlichen Auftritten als Zauberer, um die Masuti einzuschüchtern.

So ist es Dieter Bohn gelungen, altbekannte Motive auf eine ganz eigenständige, dabei schöne und überaus unterhaltsame Art und Weise zu variieren. Zu den inhaltlichen Stärken dieses Buchs kommt das große Vermögen des Autors, wirklich spannend zu erzählen – und das in einer Sprache und einem Stil, die das Lesen zu einem echten Vergnügen machen.

Unterhaltung:
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Rezension: “Von Zeit zu Zeit” von Hans Jürgen Kugler

Daniel Damberg, ein freischaffender Lektor und Konzertkritiker, wacht im Juli 2022 in seiner Wohnung in Freiburg auf und stellt fest, dass sich die Zeit um ihn herum extrem verlangsamt hat. Nur er selbst ist von diesem Phänomen nicht betroffen. Nach ein paar Stunden, in denen er seine Umgebung erkundet, kommt es zu einer Art Zeitraffer, und der Spuk, der die ganze Stadt erfasst hatte, ist vorbei. Das Erlebnis hat Daniel so verstört, dass es ihn noch lange beschäftigt. Der Arzt, den er konsultiert, kann ihm nicht helfen – ebenso wenig wie Tobias Heubach, Daniels früherer Mitbewohner und bester Freund, dem er sich anvertraut. In den folgenden Monaten kommt es zu weiteren ungewöhnlichen Phänomenen. Heiße Windstöße und Lichtblitze am nächtlichen Himmel führen Daniel und Tobias zunächst auf einen Joint zurück, den sie rauchen – bis Tobias verkohlte Fledermäuse auf dem Balkon und im Garten findet. Während einer Fahrradtour mit Iris Lutz, Daniels früherer Flamme, beobachtet das Paar in der Dunkelheit eigentümliche Leuchterscheinungen, die es für einen Meteoritenschauer hält. Auf einem Kurzurlaub bei Überlingen stranden die beiden dann in einem “Zeitverzögerungsfeld”, wie es Daniel im Vorjahr erlebt hat. Ihr Versuch, sich daraus zu befreien, wird zu einem dramatischen Überlebenskampf.

Mit seinem jüngsten Buch hat der Autor, Journalist und Herausgeber Hans Jürgen Kugler einen kleinen, feinen Roman geschrieben. Klein, weil er nur 180 Seiten umfasst, aus einem einzigen Blickwinkel – dem der Hauptfigur – geschrieben ist und sich regional auf wenige Schauplätze konzentriert. Fein, weil er in Sachen Story, Sprache und Stil zu begeistern weiß.

Die Handlung wird lange ausschließlich aus Daniels Sicht wiedergegeben – und sie erschöpft sich nicht in dem oben beschriebenen Plot. “Von Zeit zu Zeit” erzählt nämlich auch die Geschichte eines Mannes, der anspruchslos und selbstzufrieden ist und dem Neugier und Abenteuerlust abhandengekommen sind; der lange alleine gelebt hat und dem es deshalb schwerfällt, unbefangen auf andere zuzugehen. Als er seine Jugendliebe wieder trifft und sie ihm Avancen macht, werden ihm seine Defizite bewusst. Die gemeinsame Fahrradtour im französischen Jura weckt in ihm den Wunsch, sein Leben zu ändern. Doch das fällt ihm schwer. Es ist streckenweise geradezu quälend zu lesen, wie Daniel sich beim Versuch, Iris näherzukommen, immer wieder selbst im Weg steht.

Das albtraumhafte Erlebnis der Zeitanomalie einerseits und Daniels Hoffnung auf Veränderung andererseits bieten zahlreiche Anlässe für Gedanken und Gespräche über die Zeit, über die Vergangenheit und ihre Auswirkungen auf das Heute, über verpasste Gelegenheiten und neue Chancen. Die Reflexionen, die den Roman durchziehen, umfassen nicht nur Daniels und Iris´ Leben, sondern auch das ihrer ganzen früheren Clique aus Villingen.

Erst im letzten Drittel weitet das Buch den Blickwinkel: auf die Flugverkehrsleitung in Zürich, wo “Normalzeit” herrscht, und auf eine Passagiermaschine im Luftraum über dem Protagonisten, die in der Zeitanomalie festhängt – und der dasselbe Schicksal droht wie den Fledermäusen. Dadurch werden die Gefahren, die ein großes “Zeitverzögerungsfeld” darstellt, auf dramatische Weise deutlich gemacht.

Die schüchterne Liebesbeziehung, die sich langsam entfaltet, ist einfühlsam entwickelt – wenn auch nur aus Daniels Sicht dargestellt. Die Dialoge sind lebensnah und wirken nie verkünstelt. Zu den faszinierendsten Passagen gehören die, in denen Kugler die Zeitverzögerungsphänomene beschreibt: die Kälte in geschlossenen Räumen, die Beschaffenheit von Wasser in seinen vielen Erscheinungsformen, die Gefahren, die von Blättern, Grashalmen und Insekten ausgehen, und die Probleme damit, Nahrung zu sich zu nehmen.

Die Schauplätze des Romans sind Freiburg im Breisgau und die Gegend rund um Überlingen. Kugler versteht es, die Eigenart und Atmosphäre der Schwarzwaldmetropole und der Bodenseeregion in vielen Details einzufangen.

Eine weitere Stärke dieses durchweg lesenswerten Buchs ist sein Ende: Der Autor verzichtet auf eine detaillierte physikalische Erklärung des Zeitphänomens und belässt es bei einer Andeutung, die er Tobias´ Frau, einer Teilchenphysikerin, in den Mund legt. Was den Protagonisten selbst betrifft, überraschen die letzten Seiten, denn bei aller der Gefahrensituation angemessenen Tragik gibt es zumindest für Daniel und Iris eine versöhnliche Lösung.

Unterhaltung:

Anspruch:

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Rezension: “Exploit – Information ist nicht umsonst” von Ralph Mayr

Nathan Long ist der CEO des Software-Unternehmens Veridical. Die Firma, die er zusammen mit seinem Freund Jacob Dragos gegründet hat, ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Das ist beabsichtigt und einer der Gründe für ihren Erfolg. Veridical hat nämlich eine komplexe Bild- und Videoanalyse-Software entwickelt, und diese wird von Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräften rund um den Globus eingesetzt, um für “Recht und Ordnung” zu sorgen.

Auf einer Geschäftsreise durch Südostasien wird Nathan mit einem Video konfrontiert: Darin wirft man ihm vor, dass Veridicals Produkte manipulierbar seien. Sie würden von Kunden missbraucht, um Dissidenten zu verfolgen, Oppositionelle mundtot zu machen und unliebsame Minderheiten zu kriminalisieren. Diese Vorwürfe – von einem Hacker-Kollektiv über WikiLeaks verbreitet – wachsen sich zu einer handfesten Erpressung aus: Veridical soll die Manipulierbarkeit der Software öffentlich zugeben. Während Nathan fieberhaft überlegt, was er noch tun kann, um seine Firma zu retten, sieht er sich plötzlich vom chinesischen Geheimdienst bedroht…

Der Roman “Exploit” fährt einige Thriller-Elemente auf: ein unbescholtener Mann, der zwischen die Fronten zweier bedrohlicher Mächte gerät; ein Dissident auf der Flucht; geheimnisvolle Hacker versus skrupellose Geheimdienstleute; treue Mitarbeiter, die sich als Maulwürfe entpuppen und sensible Firmendaten gestohlen haben. Das Buch bietet ein Set interessanter Nebenfiguren, allen voran die junge Software-Entwicklerin Ashlee, die, obwohl sie bei Veridical als “perfect fit” gilt, an ihrer Arbeit zu zweifeln beginnt. Positiv auch, dass selbst komplexe Technologien dem Leser in einfachen Worten verständlich gemacht werden. Die zeitgeschichtlichen Bezüge und die Beispiele für den Missbrauch der innovativen Technologie in Ländern wie China, Japan, Singapur, Rußland und Polen sind ebenfalls sehr gelungen..

Nicht zuletzt wirft das Buch eine Reihe wichtiger Fragen auf: Welche Verantwortung trägt ein Software-Unternehmen für den Verkauf und den Einsatz seiner Produkte? Ist es richtig, dass eine solche Firma im Geheimen agiert? Und welche Verantwortung haben die einzelnen Mitarbeitenden, die für das Unternehmen programmieren? Reicht es, aktiv daran mitzuwirken, dass die Software keine Fehler oder Angriffspunkte aufweist?

Dem einen oder anderen Leser mögen diese Fragen (und die im Buch gegebenen Antworten) egal sein. Manche – wie Nathan – stellen sie sich vielleicht zum ersten Mal. Nun ist es aber so, dass die Verantwortung von Wissenschaft und Forschung, das kritische Hinterfragen der eigenen Arbeit und die Analyse möglicher Folgen seit dem Bau der Atombombe breit diskutiert werden. In der Wissenschaft herrscht Einigkeit darüber, dass die Forschung nicht nur die Folgen ihres Handelns reflektieren, sondern auch die Bevölkerung transparent über aktuelle Projekte und deren Finanzierung informieren muss. Dieselbe Diskussion findet in Politik und Gesellschaft statt, und sie beschränkt sich schon lange nicht mehr auf Waffentechnik, sondern umfasst zum Beispiel auch die Gentechnik und Big-Data-Technologien. Nicht umsonst schließen die Außenwirtschaftsgesetze der meisten westlichen Staaten Kontrollen und Beschränkungen aller Technologien mit ein, die zur internen Repression oder anderen Menschenrechtsverletzungen beitragen könnten.

Vor diesem Hintergrund wirken die Dialoge wie auch das Verhalten der meisten Figuren sehr naiv. Ihr Erstaunen darüber, dass ihre Produkte von einzelnen Regierungen und Behörden missbraucht werden (können), ist selbst für Software-Entwickler ziemlich unglaubwürdig.

Dazu kommt, dass sich bei dem als “Thriller” titulierten Roman echte Spannung erst relativ spät einstellt. Das liegt unter anderem daran, dass ein großer Teil der Handlung an Nathans Laptop stattfindet. Doch auch die Konstruktion der einzelnen Handlungsstränge ist nicht immer gelungen. So zeigen einige der Szenen mit dem geflohenen Dissidenten wenig mehr als das, was der Leser anderswo gerade erst erfahren hat.

Die größte Schwäche des Buchs sind der Stil und die Sprache. Hier hätte man sich vom Lektorat mehr Aufmerksamkeit gewünscht. “Exploit” ist flüssig geschrieben, es gibt aber eine Menge überflüssige Adjektive und Füllwörter, und die Formulierungen sind bisweilen etwas umständlich geraten, zum Beispiel wenn etwas auf dem Bildschirm “zunehmend deutlich erkennbar” wird. Die Dialoge wirken immer wieder hölzern, und manche Gedankensprünge seltsam unmotiviert. Noch dazu strotzt die Sprache der Figuren vor Allgemeinplätzen und abgedroschenen Redewendungen.

Während man über einzelne Rechtschreib- und Grammatikfehler leicht hinweglesen kann, fällt es einem bei schrägen Bildern und Formulierungen schon schwerer, zum Beispiel wenn es einer Figur “den Appetit verwirkt” oder wenn ein Bild “krachend” von der Wand fällt (statt auf dem Boden aufzuschlagen). Als deutscher Leser stolpert man außerdem über Wörter wie “verunfallt”, “angriffig”, “nießen”, “ungustiös” und “Einvernahme”. Es sind österreichische Dialektwörter und Amtssprache, die sich im Roman bis in die wörtliche Rede der englischsprachigen Figuren ziehen.

Ein Lichtblick in sprachlicher Hinsicht sind die englischen Wörter und Wendungen, die Ashlee gerne benutzt und die so typisch für die junge, hippe IT-Szene sind. Doch im zweiten Teil des Buchs übertreibt es der Autor mit dem “creepy”, “indeed” und “for real” so sehr, dass Ashlee ungewollt zu einer Karikatur wird.

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Rezension: “Eines Menschen Flügel” von Andreas Eschbach

Owen aus dem Nest der Ris gelingt es Kraft seiner eigenen Flugkünste und mit Hilfe einer selbst gebauten Rakete, den Himmel zu durchstoßen und die Sterne zu sehen. Als er Jahre später endlich davon erzählt, kommen Menschen aus allen Teilen der bekannten Welt geflogen, um die Geschichte zu hören. Das macht eine im Geheimen wirkende Bruderschaft auf ihn aufmerksam, und sie nährt Zweifel an seinen Worten. Owen sieht sich gezwungen, den Flug zu wiederholen, und stirbt bei dem Versuch. Sein Sohn Oris schwört, den Namen seines Vaters reinzuwaschen. Zusammen mit einigen Freunden macht er sich auf die Suche nach den Verantwortlichen. Die jungen Leute decken nicht nur die geheime Agenda der Bruderschaft Pihrs auf, sondern finden auch das Raumschiff, mit dem ihre Vorfahren einst auf dem Planeten gelandet sind. Eine Verkettung unglücklicher Umstände macht die Prospektoren des galaktischen Imperators auf sie aufmerksam – mit fürchterlichen Folgen.

Andreas Eschbachs Entwurf der fremden Welt und der Gesellschaftsordnung der sie bevölkernden Stämme ist überaus detailreich und überzeugend. Diese Welt – paradiesisch und doch voller Gefahren – besteht im Wesentlichen aus einem großen Kontinent und ein paar Inseln. Sie ist von 33 Stämmen besiedelt, die größtenteils in sogenannten “Nestern”, kleinen Hüttendörfern in riesenhaften Bäumen, leben, denn im Erdreich lauert der “Margor”. Was die geflügelten Menschen nicht im Wald und im Meer an Nahrung finden, bauen sie an. Außerdem gibt es Vieh, die “Hiibus”, die mit Pfeil und Bogen gejagt werden. Es ist eine nachhaltig lebende, vorindustrielle Gesellschaft, in der man zwar Metall abbaut, aber nur einfache Öfen und kaum Werkzeuge besitzt. Überhaupt umfasst das persönliche Eigentum wenige Dinge. Vielmehr tragen alle – je nach Begabung und Neigung – ihren Teil zum Wohl des eigenen Nests und der Allgemeinheit bei. Wichtige Entscheidungen werden von der oder dem Ältesten und von regionalen Räten getroffen.

Im Verlauf der Handlung erfährt der Leser, dass die gesellschaftliche Ordnung von den “Ahnen”, den ersten Siedlern, festgelegt wurde. Vor über 1000 Jahren hatten diese eine Diktatur heraufziehen sehen und weit außerhalb der bewohnten Gebiete unserer Galaxis eine neue Heimat gesucht. In den Büchern, die sie ihren genetisch veränderten Nachkommen hinterließen, stellten sie detaillierte Regeln auf, die diese seitdem von klein auf studieren und befolgen. Es gibt Bücher über das Zusammenleben, die Natur, den Handel und die Heilkunst, außerdem solche mit Liedern, Theaterstücken und viele mehr. Die Anhänger der Lehren Pihrs sorgen heimlich dafür, dass die Gesellschaft bleibt, wie sie ist, indem sie den technischen Fortschritt ausbremsen und gesellschaftliche Fehlentwicklungen ahnden.

So überzeugend, wie Eschbachs “Worldbuilding” auch ist, stellen sich beim Lesen schnell Irritationen ein. Das liegt zum einen am Schauplatz selbst: In dieser einfachen Gesellschaft, in der selten Aufsehenerregendes passiert, drehen sich die Gespräche um das immer Gleiche: die Arbeit, das Wetter, das Essen, Liebschaften, Partner und Kinder. Und obwohl der Erzähler sich zumeist auf das Besondere an den Figuren konzentriert, etwa auf ihre Handwerkskunst, wird das wiederholte Wer-liebt-Wen – glücklich oder nicht – nach dem ersten Dutzend an Lebensgeschichten ermüdend. Dazu kommt, dass einige der Figuren, die die Haupthandlung vorantreiben, recht holzschnittartig geraten sind: Oris stets zielgerichtet und furchtlos, Bassaris stark und treu; und so wie Luchwen immer Hunger hat, bleibt Hargon über weite Strecken des Buchs ein verantwortungsscheuer Hedonist.

Eschbach ist ein großartiger Erzähler. Er pflegt einen sehr lebendigen, geradezu poetischen Erzählstil. Das macht seine Bücher zu einem großen Lesevergnügen, das bei “Eines Menschen Flügel” durch die allzu große Detailverliebtheit des Autors nur leicht getrübt wird. Gelungen sind auch die vielen Sprichwörter und Redewendungen, die sich um die anatomische Besonderheit der Figuren drehen. Dagegen stellt man sich unweigerlich die Frage, wie es kommt, dass alle Bewohner dieser Welt in den ihnen gewidmeten Kapiteln die gleiche “schöne” Sprache sprechen wie der Erzähler selbst. Von der im Buch behaupteten Vielfalt kaum eine Spur – im Gegenteil: Die gehobene Sprache reicht bis in die wörtliche Rede. “Ist gar niemand da?”, fragt eine Frau bei einem privaten Besuch unter Freunden. Man mag es nicht so recht glauben, dass diese Ausdrucksweise auf das Studium der Bücher der Ahnen zurückzuführen ist.

Die von Eschbach erdachte Gesellschaft zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass alle – wie der Pilot Dschonn anmerkt – ungewöhnlich “freundlich” sind. Sie ist auch sehr demokratisch organisiert. Jeder und Jede ist etwas Besonderes, und alle tragen etwas zum großen Ganzen bei, sei es ein Segelboot, eine neue Farbe für die Signalraketen oder auch nur ein neues Gewürz. Dieses demokratische Prinzip zieht sich durch unzählige Handlungsdetails. Mehr noch: Andreas Eschbach macht es zum Grundprinzip seiner komplexen Romanstruktur.

“Eines Menschen Flügel” hat nicht zwei oder fünf Protagonisten, sondern überrascht den Leser mit knapp 30 Figuren. Jeder von ihnen ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Das können zehn oder auch 50, 60 Seiten sein. Am Ende des Kapitels wechselt die Perspektive, und eine andere, stets neue Figur übernimmt die Erzählung. Das funktioniert zunächst ganz gut, vor allem dort, wo es sich um Oris´ Gruppe und die Agenten der Bruderschaft handelt. Denn diese “Geschichten in der Geschichte” tragen nicht nur eine andere Perspektive bei, sondern auch Neues zum Fortlauf der Haupthandlung. Eschbach hat das Ganze überaus geschickt konstruiert. Selbst die bis dahin unbekannten Figuren sind irgendwie mit den bereits bekannten verwandt oder anderswie verbunden – wenn nicht mit den oben Genannten, dann zumindest mit einer Nebenfigur. Manchmal stehen sie auch stellvertretend für eine ganze Gruppe, die sich später als wichtig erweisen wird, etwa der “Verkünder” Efas (zunächst) für die Apokalyptiker oder Maheit für die Skeptiker.

Eschbach baut diese Geschichten gleichwertig in die Haupthandlung ein. Dabei nimmt er in Kauf, dass sie diese im Verlauf des Romans immer wieder ausbremsen. Meistens erfährt man darin (erneut) viele Details aus dem Leben einer Figur und lernt ihr Umfeld – ein neues Nest und eine neue Gegend – kennen. Am Ende so manchen Kapitels ist man aber unweigerlich enttäuscht, weil es nur Bekanntes variiert, mit wenig neuen Erkenntnissen aufgewartet oder kaum zur Haupthandlung beigetragen hat.

Insofern hinterlässt das Buch einen zwiespältigen Eindruck. Es ist ohne Zweifel ein stilistisch herausragender Roman mit einem stimmigen, in seinem Detailreichtum geradezu grandiosen Weltentwurf. Wer die langen “Geschichten in der Geschichte” aber nicht mag, der wird ihn wohl als grandios gescheitert ansehen.

Unterhaltung:

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Rezension: “Kleiner Drache” von Norbert Stöbe

Wei Xialong leitet den Pekinger Premium-Store “Himmlische Geschöpfe”, der lebensechte Roboter verkauft. Als Tochter der Firmenleiterin wurde sie von Kindheit an für die Spitzenfunktion im Unternehmen trainiert. Ihre Karriere erscheint ihr vorgezeichnet. Bis zu dem Tag, an dem ihr digitaler Assistent eine Reihe an Fehlfunktionen hat. Zu Hause entgeht die junge Frau nur knapp einem Anschlag. Und als ein Klon Xialongs Platz im Geschäft einnimmt, wird nach ihr gefahndet (Nebenbei bemerkt: eine originelle Variante des Themas Identitätsdiebstahl). Zusammen mit dem weiblichen Sexroboter Litse, den sie im Laden stehlen kann, flieht sie in eine Kleinstadt in der Grenzregion zu Myanmar. Mithilfe eines Schleusers gelingt es den beiden, die streng überwachte Grenze zu überwinden.

Die Männer, die Xialong aufgreifen, verkaufen sie als Arbeitssklavin nach Bangladesch, an eine Werft, in der alte Schiffe abgewrackt werden. Monate später kann sie sich freikaufen und übernimmt im nahen Space-Center einen Laden. Im Space-Market wird modernste Technik der Mondkolonie gehandelt. Dort führt sie den Aufstand der Händler gegen das Syndikat an, das den Markt kontrolliert. Nach dem Sieg wird er der Startpunkt für Xialongs Rückkehr nach Peking. Sie hat nun Macht und Kapital, kontrolliert den lokalen Netzknoten und hat sich zudem eine junge Hackergruppe verpflichtet. So gerüstet wagt sie es – vier Jahre nach ihrer Flucht –, den Kampf gegen ihre Klonschwester aufzunehmen.

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Rezension: “Qualityland 2.0” von Marc-Uwe Kling

Nachdem der erste SF-Roman von Marc-Uwe Kling (“Qualityland”, Rezension hier) den Deutschen SF-Preis gewinnen konnte, stellt sich die spannende Frage, ob die Fortsetzung an diese Qualität anknüpfen kann.

Womit eines schon gesagt ist: Ja, es handelt sich um eine waschechte Fortsetzung. Um Staffel 2 der (geplanten) Streaming-Serie gewissermaßen, denn die Handlung schließt direkt ans Ende von Band 1 an, es treten die gleichen Figuren auf. Die Geschichte aus Band 1 sollte man beim Lesen optimalerweise noch im Kopf haben. Zwar ist dem Roman ein (dreieinhalbseitiges) Figurenregister vorangestellt, aber keine Zusammenfassung des bisherigen Geschehens. Wer Band 1 nicht gelesen (oder größtenteils vergessen) hat, wird vieles in Band 2 nicht verstehen.

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