Interview mit Dane Rahlmeyer

Dane, du bist Romanautor sowie Schöpfer verschiedener Hörspiele, darunter „Das dunkle Meer der Sterne“, und auch bei „Rick Future“ bist du beteiligt. Wie schaffst du es, bei so vielen Projekten nicht den Überblick zu verlieren?

Dane Rahlmeyer

 

Gute Frage! Ich glaube, es hilft, dass ich die einzelnen Projekte in den meisten Fällen am Stück schreibe. Beispiel: Alle acht Folgen von Das dunkle Meer der Sterne habe ich innerhalb von mehreren Monaten hintereinander geschrieben. Genauso war es bei Grüße aus Gehenna, Terra Mortis und der demnächst erscheinenden Serie Skinwalker.

Ich versuche immer, das Eisen zu schmieden, so lange es heiß ist, ohne mich von anderen Projekten ablenken zu lassen. Danach kann ich aber auch mit den Geschichten abschließen und mich auf Neues einlassen.

Kannst du eigentlich von deinem kreativen Schaffen leben? Wenn ja: gut?

Es gibt gute und nicht ganz so gute Zeiten, wie überall, schätze ich. Zum Glück haben die guten bislang überwogen. Aber es gab auch einige Monate, in denen ich heilfroh gewesen war, einen Nebenjob zu haben, bzw. Auftragsarbeiten als Ghostwriter.

Erzähl uns mal was zu deinen Inspirationsquellen. Welche Filme/Bücher haben dich am meisten beeinflusst?

Als ich acht war, sah ich zum ersten Mal Der dunkle Kristall von Jim Henson und Frank Oz. Ich glaube, der Film hat mich noch mehr umgehauen als Star Wars, den ich etwa zur selben Zeit gesehen hatte. Eine komplett andere Welt, ganz ohne Menschen? Das hat meine Fantasie ganz schön beflügelt und danach habe ich wochenlang nur Skekse, Urus und Gelflinge gezeichnet. Und der Dunkle Kristall an sich (der Edelstein, nicht der Film) ist vielleicht für die übermäßige Menge an Kristallen verantwortlich, die in meinen Geschichten auftauchen.

Die nächste Geschichte, die einen vergleichbaren Einfluss hatte, war Frank Herberts „Der Wüstenplanet“, den ich mit vierzehn las. Danach war mir klar: Ich will mein Leben lang nichts anderes machen als andere Welten zu erfinden.

Bis jetzt hat das auch recht gut geklappt.

Wo siehst du die größten Unterschiede zwischen dem Romaneschreiben und dem Verfassen von Hörbuch-Skripten? Gibt es da bestimmte Tricks, wie man sich die Arbeit vereinfachen kann?

Ein Roman erweckt Figuren und Begebenheiten allein durch Reihen von Buchstaben zum Leben. Ein Hörspiel benutzt dafür das gesprochene Wort, Geräusche und Musik. Man erzählt Geschichten nur durch Schall, was eine besondere Herausforderung für den Autoren ist. Es kommt auf das richtige Geräusch zur richtigen Zeit an, um eine Szene lebendig zu machen.

Ein weiterer Unterschied ist die Länge: Ein reguläres Hörspiel auf CD hat maximal 80 Minuten, eine Geschichte zu erzählen. Ein Roman kann sich dagegen hunderte von Seiten dafür nehmen. Man hat einfach mehr Raum für alles: Charaktere, Handlung, Beschreibungen.

Hinzu kommt: Einen Roman liest jeder in der ihm bevorzugten Geschwindigkeit. Bei einem Hörspiel ist die Geschwindigkeit vorgegeben. Deswegen sind Dialoge und Erzähler viel, viel komprimierter.

Trotzdem versuche ich immer, dem Hörspiel das Beste vom Roman mitzugeben, weswegen ich bevorzugt mit einem Erzähler arbeite. Er kann dem Hörer sinnliche Informationen vermitteln, die man nur in den Dialogen nicht wiedergeben kann, ohne dass es albern klingt. (Jeder kennt die „Hörspiel-Monologe“, in denen die Charaktere plötzlich Selbstgespäche führen, die natürlich nur für den Hörer bestimmt sind.)

Bestimmte „Tricks“ zur Arbeitserleichterung gibt es meines Wissens nicht wirklich. Jede Geschichte hat ihre eigenen Anforderungen an den Autoren, unabhängig vom Medium.

Kommen wir zum „Dunklen Meer der Sterne“. Kim Hunter sucht ihren Großvater und durchquert dabei die abgelegensten Winkel der Galaxis. Welche Völker begegnen ihr dort und welche Innovationen bietet diese Space Opera, die wir nicht schon von woanders her kennen?

Als ich „Das dunkle Meer der Sterne“ schrieb, war ich zarte dreiundzwanzig. Ich hatte mir zwei Dinge für die Serie vorgenommen: Erstens sollte sie Science Fiction sein für Leute, die sonst keine Science Fiction mögen. (SF light, sozusagen.)

Zweitens sollten nicht Aliens oder Technologie im Vordergrund stehen, sondern die Charaktere. Sie sind es auch, die den Charme der Serie ausmachen: die naive aber tapfere Kim, Käpt’n Moon, der alte, versoffene Ex-Raumpirat, der durch die Reise mit Kim ein echter Held wird, und Vimana, Moons Raumschiff, mit seiner frechen, sarkastischen KI.

Das Universum, durch das sie reisen, ist ein klassisches Space Opera-Universum: es gibt Überlicht-Raumschiffe, Weltraumschlachten, Roboter, Androiden, etc. (Nur Aliens gibt es hier keine – oder etwa doch?)

Wirkliche „Innovationen“ im Bereich der Science Fiction gibt es hier vielleicht eher wenige, was mit Sicherheit damit zu tun hat, dass ich damals als  (Hörspiel-)Autor noch nicht sehr erfahren war.

Würde ich die Serie heute anders schreiben? Vielleicht. Zumindest scheint der „SF light“-Aspekt aufgegangen zu sein, da nicht eben wenige Hörer zu der Serie gefunden haben, obwohl sie sonst mit Science Fiction oder Space Opera nichts anfangen können. Was ich auch heute noch beibehalten würde, sind die Charaktere, die mir sehr ans Herz gewachsen sind.

Und möglicherweise habe ich bald die Gelegenheit, sie auf eine neue Reise zu schicken.

Dieses Jahr findet die Serie nämlich ihren Abschluss. Oder sagen wir: Die erste Staffel.

Ich habe bereits einige Skripte für eine zweite Staffel geschrieben. Und da ich als Autor mittlerweile ein bisschen erfahrener und auch mutiger bin, wird sie mehr „Science Fiction-Schauwert“ haben. Die Welten und Zivilisationen, die unsere Helden treffen, werden sehr viel exotischer sein. Eine Folge wird zum Beispiel innerhalb einer Sonne spielen, eine andere auf einem Planeten mit einem unterirdischen Eismeer ähnlich dem Jupitermond Europa, wo sich die Menschen auf interessante Art und Weise an das Leben in den pechschwarzen, eiskalten Fluten angepasst haben. Außerdem gibt es einen Besuch auf der Erde, die Tausende von Jahren vom Rest des Universums isoliert war.

Natürlich werden die Charaktere immer noch im Vordergrund stehen, aber sie sind wie ihre Welt (und ihr Autor) erwachsener geworden.

Ob und wann die zweite Staffel allerdings realisiert wird, kann ich derzeit leider noch nicht sagen.

Desweiteren bist du Autor der „Kenlyn“-Trilogie – einer ziemlich ungewöhnlichen SF-Saga. Hast du dich bewusst dafür entschieden, SF- mit Fantasy-Elementen zu kombinieren (auch im Hinblick auf die größere Leserschaft)?

Nein. Ich glaube, wie viele Autoren treffe ich solche Entscheidungen rein instinktiv. Ich war damals neunzehn und hatte Lust, wieder einen Fantasy-Roman zu schreiben, doch ich hatte keine Lust auf Elfen, Orks, Zauberer, etc. Ich wollte eine fantastische Geschichte erzählen, aber eine, die sich ein bisschen anders „anfühlt“.

Zu Beginn hatte ich ein Bild vor meinem inneren Auge: eine Gruppe von Underdogs, die mit einem Luftschiff durch eine fantastische Welt reist und versucht, als Transportunternehmen ihr Geld zu verdienen.

Alle weiteren Elemente kamen schnell hinzu: Der Herrscher von Kenlyn, der als Bronzemaske in einer Glassäule erscheint und eigentlich eine Maschine ist, geheimnisvolle Gerätschaften wie Geisterkuben und Sonnenaugen, die einzelnen Völker wie die katzenhaften Skria, die reptilischen Draxyll – und letztlich Kenlyn selbst, der Planet, auf dem die Geschichte spielt und eigentlich ein terraformierter Mars in einem parallelen Universum ist. Das klingt nach einem wüsten Stilmix, ich weiß, aber letztlich fügt sich alles organisch in die Welt der Bücher.

Was sind Drachenschiffe?

Die erwähnten Luftschiffe. Mit Zeppelinen haben sie allerdings wenig gemeinsam, man kann sie sich eher als eine Art Steampunk-Flugzeuge vorstellen. Steampunk bezieht sich dabei aber weniger auf den Antrieb (den besorgt ein kristallförmiger Generator – hey, da sind die Kristalle wieder!), sondern auf Hebel und Skalen aus Glas und Messing, hölzerne Planken, „Galionsfiguren“, etc. Jules Verne meets High Tech.

Das Drachenschiff, das wir in den Büchern am besten kennen lernen, ist die Korona, ein eher kleines, aber blitzschnelles Schiff, das – so hoffe ich – genauso zu einem eigenständigen Charakter wird, wie die anderen Figuren.

Kommen wir wieder zu den Hörspielen, die den wichtigsten Aspekt deines kreativen Schaffens ausmachen. Wie findest du die Stimmen für deine Projekte, also die SprecherInnen? Gibt es da tagelange Auditions oder wie läuft das ab?  Nach welchen Kriterien wählst du die Stimmen aus?

Zu Beginn war es schwer, gute Sprecher zu finden. Ich kannte niemanden in der Branche, das Budget war winzig bis gar nicht vorhanden. Damals habe ich Anzeigen in der Zeitung geschaltet: „Hörspielsprecher gesucht!“ Daraufhin stand tagelang das Telefon nicht mehr still. Über diese Aktion habe ich unter anderem Bernhard Selker kennengelernt, der den Käpt’n Moon in Das dunkle Meer der Sterne spricht, und mit dem ich unglaublich gerne zusammenarbeite.

Später wurde es einfacher: Sprecher kamen zu mir und es gab sogar irgendwann ein Budget.

Was die Auswahl der Sprecher angeht: Meistens habe ich die Stimme des Charakters schon im Ohr und weiß in etwa, nach welcher Stimme ich suche.

Oft schreibe ich den Sprechern bestimmte Figuren extra auf den Leib, so geschehen mit René Dawn-Claude und Nientje Schwabe in Terra Mortis.

Spannend wird es jetzt bei Skinwalker, einem dreiteiligen Horrorwestern der im Sommer erscheint. Der ist randvoll mit prominenten Sprechern besetzt, deren Stimmen ich teilweise seit meiner Kindheit aus Film, Funk und Fernsehen kenne.

Die Soundeffekte deiner Hörspiele wirken professionell und passen ganz zur jeweiligen Stimmung, die erzeugt werden soll. Wie lange dauert es normalerweise, bis man diese Effekte findet und wie lange, bis eine Folge dann fertig abgemixt ist? Beschreib uns Unwissenden doch bitte auch den Prozess, wie das alles von statten geht (Studio oder Onlinekooperation?).

Zuerst geht das Skript an die betreffenden Sprecher raus, damit sie sich mit den Rollen vertraut machen können.

Dann beginnt der Aufnahmeprozess. Entweder ich hole die Sprecher für die Aufnahmen zu mir, oder diese finden in einem Studio außerhalb statt, in dem wir uns dann treffen. Oft haben die Sprecher auch eigenes Equipment zu Hause und ich höre dann per Telefon zu und gebe Regieanweisungen.

Sind die Aufnahmen im Kasten beginnt der Schnitt: Aus Stunden von Tonmaterial werden die besten Schnipsel rausgesucht und am Computer in verschiedenen Tonspuren zusammengepuzzelt. Hat bei der Regie alles gestimmt, klingen die Dialoge dann tatsächlich so, als würden sich zwei Menschen unterhalten, obwohl sich die betreffenden Sprecher noch nie getroffen haben.

Danach beginnt die Produktion. Die „nackten“ Dialogspuren werden jetzt mit Raumklang versehen, Geräusche werden platziert, die Hintergrundatmosphäre geschaffen, Musik kommt hinzu – wiederum alles am Computer.

Dieser Prozess ist besonders spannend. Es ist eine Sache im Skript zu schreiben: „X und Y atmen angestrengt beim Kämpfen, Schwerter klirren“, eine andere, den fertigen Schwertkampf zu hören, mit jedem Klirren und Scharren von Metall, dem wilden Atem der Figuren, begleitet von dramatischer Musik.

Manchmal geht dieser Produktionsschritt schnell von statten: Sven Matthias, der Schöpfer, Sprecher und Produzent von Rick Future ist so schnell wie kein anderer Hörspielproduzent den ich kenne. Da kann es schon mal passieren, dass er nach zwei Wochen ruft: „Fertig!“ und das Ergebnis haut einen von den Socken. (Allerdings hat er sich dann auch die Tage und Nächte um die Ohren geschlagen, der arme Kerl.) Manchmal dauert es leider etwas länger.

Nun, ein wenig Kritik muss sein: Manchmal habe ich etwas den Tiefgang bei den Hörspiel-Storylines vermisst, was aber daran liegen mag, dass ich nur einzelne Folgen gehört habe und nicht das Gesamtbild im Kopf habe. Muss ein Hörspiel deiner Ansicht nach komprimierter sein und sich auf wenige Actionsequenzen beschränken, um beim Hörer auf offene Ohren zu stoßen?

Ich glaube, es liegt tatsächlich daran, dass Dir das große Ganze fehlt. In bloßen Ausschnitten geht natürlich viel vom Subtext verloren.

Ich bin bei jeder meiner Serien bemüht, den Charakteren soviel Tiefe wie möglich zu geben, ihre Ängste, Sorgen, Wünsche und Träume auszuloten und sie auf Feuerproben zu stellen, die zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind. Es gibt in jeder Serie einen roten Faden; die Figuren lernen dazu, wachsen, verändern sich.

Oft haben die verschiedenen Serien auch eigene Themen, die beleuchtet werden: In Das dunkle Meer der Sterne geht es um das Thema Helden. In Terra Mortis um Hoffnung. Bei Skinwalker dreht sich alles um das Thema Vergebung. Natürlich habe ich bei einem Hörspieldreiteiler wie Skinwalker, der letztlich nur cirka vier Stunden läuft, nicht den selben Raum wie in einem Roman. Also: Ja, ein Hörspiel muss komprimierter sein, das liegt in der Natur der Sache. Aber der Anspruch, soviel wie möglich aus den Figuren und der Geschichte herauszuholen, bleibt trotzdem bestehen.

Zum Thema „Actionsequenzen“: Geballer und Verfolgungsjagden sind nicht das einzige Mittel, um Spannung zu erzeugen. Ein Beispiel: Das dunkle Meer der Sterne 5. Die Folge hat keine einzige Actionsequenz, trotzdem halten viele sie für eine der spannendsten der Serie, einfach aufgrund der Interaktion der Charaktere.

Oder nehmen wir Rick Future, wo ich als Gastautor tätig bin. Das Hauptaugenmerk der Serie liegt auf Action und Abenteuer, klar, trotzdem versuche ich immer, neue Aspekte an den Charakteren zu entdecken und ihnen Tiefe zu verleihen. So gibt es in Rick Future 15: Die Botschaft zwar Action Zuhauf, aber das Herz der Episode (und der Teil, den die Hörer am spannendsten fanden, wenn ich die Rezensionen richtig deute), ist ein Gespräch in einem weißen Raum zwischen zwei Personen.

Action ist ein gutes Mittel, den Hörer bei der Stange zu halten. Aber sie wird immer von den Charakteren bestimmt.

Wo siehst du dich in Zukunft? Wirst du noch weitere Romane schreiben oder reicht es dir aus, weiterhin Hörspiele zu verfassen?

Tatsächlich habe ich seit einiger Zeit wieder Sehnsucht nach dem Romanschreiben. Nicht, weil mir die Hörspiele keinen Spaß mehr machen, sondern weil ich an einem Roman genauso viel Spaß habe. Mein letztes Buch (Der Schatz der gläsernen Wächter) habe ich 2008 geschrieben. Seitdem habe ich einen Haufen Romanideen, die mich reizen – nur muss ich mir bei all den Hörspiel- und neuerdings auch Filmverpflichtungen erst mal die Zeit dafür freispielen.

Auch reizt es mich, wieder ein längeres Drehbuch zu schreiben, nachdem ich lange Zeit Kurzfilmdrehbücher geschrieben habe.

 

Sind Schreiberlinge eine Randgruppe der Gesellschaft? Wenn ja, verdienen sie besonderen Schutz?

Natürlich. Wer soll sonst all die Romane, Filme, Serien, Comics und Hörspielskripte schreiben?

Erzähl uns doch mal was aus deinem Privatleben. Was machst du beispielsweise am liebsten an einem sonnigen Samstagnachmittag?

Zusammen mit meiner Freundin und den Hunden durch die Felder und Wälder um unser Haus ziehen, oder es mir mit einem guten Buch auf der Couch gemütlich machen. Ansonsten gehe ich auch gerne (aber in letzter Zeit zu selten) ins Kino. Generell habe ich aber das Glück, dass ich eine Arbeit habe, die ich aufrichtig liebe und die mir viel Spaß bringt, trotz mancher hektischer Zeiten.

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