Interview zum SF-Film “Das Letzte Land” aus NRW

Science-Fiction-Filme, zumal deutsche, sind ja derart rar, dass man jedem applaudieren muss, der einen macht, zumal zum Discountpreis von 8500 Euro: Das ist die Geldmenge, mit der eine Gruppe Filmemacher auf der Crowdfunding-Plattform Startnext ihr Langfilm-Projekt “Das Letzte Land” umzusetzen versprach, inzwischen konnten sie die Summe sogar übertreffen (können aber auch noch mehr brauchen). Das Letzte Land soll ein „rätselhaftes Roadmovie im Weltraum“ in Spielfilmlänge werden und in einem kleinen, alten, gestohlenen Raumschiff spielen, in dem zwei entlaufende Sträflinge (echte Schauspieler) eine „unvorstellbare Reise“ unternehmen. Visuell demonstriert bereits der (CGI-freie!) Teaser-Videoclip, dass die Macher von Das Letzte Land eine gute Vorstellung davon haben, wo sie hinwollen.

DSF unterhielt sich mit Massimo Müller, der unter anderem für Bauten, Kulissen, Modelle zuständig ist.

deutsche-science-fiction.de: Komme ich ohne Schreiner ins Weltall?

Massimo Müller und ein Modell des Raumschiffs

Massimo Müller und ein Modell des Raumschiffs

Massimo Müller: Im Film jedenfalls nicht. Ein Projekt unserer Größenordnung, mit der Vielzahl an Ideen und mit einem gewissen Anspruch an Professionalität, Qualität und Ästhetik braucht definitiv Mitwirkende, die ihr Handwerk verstehen. Durch meine handwerklichen Ausbildungen, dem Ingenieurstudium und nicht zuletzt durch die Beteiligung an vielen kleineren Filmprojekten in der Vergangenheit habe ich ein Gespür dafür entwickelt, welche Idee umsetzbar ist, welche verworfen und ersetzt werden sollte und welche Alternativen sich anbieten würden, um zumindest die Idee der Idee zu verwirklichen.

Da wir mit relativ wenig Leuten das Projekt stemmen wollen – eigentlich sind es im Moment nur drei Aktive – ist es wichtig, dass jeder Schaffende gleich mehrere Funktionen erfüllt. Trotzdem braucht es auch schiere Drecksarbeit mit Spänen, Krach und Fluchen, damit eine sichere, stabile und die unmöglichsten Anforderungen erfüllende Kulisse entsteht, in der zwei Schauspieler, Kameramann, Tonangler und Co. gleichzeitig Platz finden und trotzdem eine enge, beklemmende Atmosphäre in einem Raum entsteht, der zudem noch kippbar und beweglich sein muss. Und für diese Drecksarbeit ist der Schreiner prädestiniert.

Bist du ein SF-Film-Fan?

In der Werkstatt ...

In der Werkstatt …

Kurz und bündig: ja! Man muss filmbegeistert sein, um so etwas Verrücktes zu machen. Schon ganz früh hat mich das Medium fasziniert. Zum Beispiel schaute ich meinen ersten Horrorfilm – American Werewolf – mit meiner Mutter im Alter von fünf Jahren. Ich bewunderte die Kunst der Filmemacher, fiktive Dinge so real aussehen zu lassen – meine Mutter versicherte mir, die Menschen werden nicht in Wirklichkeit gefressen …

Leidenschaft und Begeisterung für Science-Fiction sind natürlich nicht verkehrt. Ich stehe darauf, wenn unsere heutige Welt mit den heutigen Problemen in der Zukunft extrapoliert dargestellt wird. Stanislav Lem, H.G. Wells, Isaac Asimov und Arthur C. Clarke gehören für mich zur Pflichtlektüre und inspirieren uns sowohl beim Entwickeln der Story als auch beim Arbeiten am Set. Da mich Verfilmungen dieser Klassiker sowohl enttäuscht aber auch begeistert haben, bin ich motiviert und gespannt, welchen Beitrag unser Film in der Science-Fiction-Welt wohl leisten wird.

Bist du eher SF-Leser oder eher SF-Film-Seher?

Eine Modelllandschaft entsteht ...

Eine Modelllandschaft entsteht …

Im Grunde beides. Science-Fiction ist ein wahnsinnig spannendes Genre. Herausragend ist für mich der Bezug zur Realität oder die Kritik an der modernen Gesellschaft. In welcher Form dieser Bezug erfolgt, ist mir egal. Ob gutes Buch oder guter Film, ich weiß beides zu schätzen, sofern sie mich nachdenklich machen und ein wenig in die Tiefe gehen und dabei kommt es mir gar nicht auf Effekthascherei an.

Für mich ist Science-Fiction eine besondere Art, die Gesellschaft und den Menschen zu verstehen. Ähnlich wie es die Ökonomie versucht, Verhaltensmuster und Vorgänge aus der Vergangenheit zu verstehen und so zu analysieren, dass man sich Maßnahmen für die Zukunft überlegen kann, spinnt Science-Fiction gesellschaftliche Prozesse weiter, die wir heute vorfinden oder in der Vergangenheit beobachteten.

Wie gestaltet man „das Innere eines Raumschiffs“ im Film?

Skizze des Inneren

Skizze des Inneren

In der ersten Bauphase standen uns lediglich alte Bohlen, Bretter und Balken zur Verfügung, die glücklicherweise zuhauf in einem Keller lagen. Das setzte uns zwar gewisse Grenzen, aber innerhalb dieser konnten wir unserer Kreativität freien Lauf lassen. Danach waren wir kreativ im Umgang mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen oder der kostengünstigen Beschaffung davon. Kleinanzeigen waren und sind ebenso wichtig wie der Kontakt zu Leuten, die uns beim Aufspüren oder Bereitstellen der verschiedensten Baumaterialien unterstützt haben.

Natürlich haben wir laut Story ein Grundkonzept für das Innere des Schiffs, welches uns die wichtigsten Anforderungen vorgibt. So gibt es den Cockpitbereich, eine “Hydroecke”, eine automatische Schiebetür, einen Maschinenraum, eine Ladeluke, Heckfenster, diverse Verstauräume und Schächte usw. Lage, Funktion und Zugänglichkeit dieser Bereiche sind durchaus festgelegt.

Gerüst für Kulissen ...

Gerüst für Kulissen …

Aber das ganze Drumherum ergibt sich während des eigentlichen Baus – je nachdem was uns im Augenblick zur Verfügung steht. Gerade das wird auch später den besonderen Look unseres Sets ausmachen und zum jetzigen Zeitpunkt würde ich sagen, dass uns diese Schwierigkeiten eher zum Vorteil gereichen als zum Nachteil. Ich glaube, dass auf diese Weise die Kulisse extrem authentisch wirkt, vor allem weil wir am Ende ein altes, verwittertes und charismatisches Weltraumvehikel vor uns sehen werden, bei dem jedes verbaute Teil bereits eine Geschichte hat.

Wie entstand das Modell-Raumschiff (hat es einen Namen)?

Das geheimnisvolle Raumschiff ...

Das geheimnisvolle Raumschiff …

Zuerst nahmen wir das, was wir hatten, dann schauten wir, was wir noch brauchen und das besorgten wir. Es wuchs ständig weiter und entsprach mit jedem angeklebten Teil von einer Miniaturlokomotive oder einem Militärhubschraubermodell immer mehr unserer Vorstellung von einem klobigen und trägen Schiff.

Das Schiff soll den Eindruck erwecken, es sei von den Ingenieuren der Zukunft konzipiert worden, um gemächlich und unerschütterlich durch das All zu treiben, um eine Mission zu erfüllen, die ich hier noch nicht verraten möchte. Einen Namen haben wir gar nicht für unser kleines Schätzchen, aber vielleicht wäre es mal an der Zeit, es mit einer mikroskopisch kleinen Sektflasche zu taufen.

Wie macht ihr die “kosmischen Staubwolken”, die man im Trailer sehen kann?

Filmbild: Das Raumschiff

Filmbild: Das Raumschiff

Wie alle special effects bei Das Letzte Land entstehen auch die kosmischen Staubwolken auf die gute alte handwerkliche Art. Man nehme ein großes durchsichtiges Gefäß, eine ganze Menge Salzwasser, eine ganze Menge Süßwasser, Pigmente, Bindemittel, ein paar Spritzen und Schläuche, gutes Licht und vor allem Geduld. Geschick und Feingefühl sind auch nicht schlecht, außerdem ein guter Blick fürs “Mikromakroskopische”.

Die ersten Testaufnahmen lieferten schon gute Ergebnisse, die in dem bereits veröffentlichten Trailer zu sehen sind. Aber da ist noch Luft nach oben. Wir haben bei den Arbeiten daran gute Erfahrungen sammeln können und wissen nun, an welchen Schrauben wir drehen müssen, um noch bessere Bilder zu erzeugen.

Ihr habt jetzt bei startnext mehr Geld eingesammelt als geplant – hilft das auch Dir?

Mal abgesehen davon, dass ich das noch gar nicht richtig glauben kann, wie viele Leute uns bisher unterstützt haben und an uns glauben, kann ich tatsächlich ein wenig aufatmen, was meine eigene Haushaltsführung angeht. Im Grunde steht mir als Student nur das BAföG zur Verfügung und ich stecke jeden einzelnen Cent, der nicht für Wohnung und ein wenig Essen aufgewendet werden muss, in Baumaterial, um voranzukommen. Ein weiterer großer Kostenfaktor ist das Benzingeld, was sich monatlich auf ca. 200 Euro beläuft, da die Werkstatt relativ weit weg liegt.

Es wäre also schön, wenn ich schon mal diese monatlichen Kosten nicht mehr nur aus eigener Tasche bezahlen müsste – dann könnte ich mir mal wieder was anderes leisten als Haferflocken und Brot. Das klingt vielleicht krass und unglaubwürdig, aber es ist in der Tat so, dass einige von uns große Opfer bringen. Neben der gesunden Ernährung schwebt mir außerdem vor, die geplante und vorkonstruierte Schiebetür aus Metall zu fertigen. Das hätte unglaubliche Vorteile gegenüber Holz und Sperrholz. Und scheinbar ist das nun möglich. Das macht mich richtig glücklich. An dieser Stelle ein riesiges Dankeschön an alle Unterstützer, denn die Schiebetür wird mein drittes Meisterstück!

Was dürfen die Zuschauer von “Das Letzte Land” am Ende erwarten?

Filmbild: die Darsteller

Filmbild: die Darsteller

Man wird dem kompletten Film später ansehen, dass dort ganz viel von uns selbst drinsteckt. Man wird nicht nur von einer guten Story, guten Schauspielern, einem guten Set oder von guten Effekten reden. Im Grunde weiß doch jeder, dass ein Film nicht echt ist, dass die Bilder alle gestellt sind und dass die Schauspieler halt nur schauspielern. Aber wir werden eine Illusion erschaffen, die den Zuschauer das ganze genauso vergessen lässt, wie es auch andere Filme machen.

Wenn der Abspann läuft, wird man dasitzen und sich fragen: Wie haben die Jungs das bloß gemacht? Wo waren denn jetzt der Traktoranhänger und das Aquarium? Wie viel haben die nochmal in den Film reingesteckt? Ich hab denen 25 Euro für ne DVD gegeben und die machen daraus dieses Science-Fiction-Spektakel? Und das noch in Deutschland? In Feudingen?! …
Das werden sich die Zuschauer fragen, da bin ich mir sicher. Und selbst wenn der Film nicht gefällt: Staunen wird jeder.

Das production design entscheidet oft darüber, ob ein Film als “Independent” oder “Trash” wahrgenommen wird. Grämt es Dich, dass “der Regisseur” im Mittelpunkt steht, während Deine Arbeit vom Zuschauer eher unbewusst hingenommen wird?

Das Innere eines Schiffs ...

Das Innere eines Schiffs …

Ja und Nein und Jein. Ja, weil es schließlich gang und gäbe ist, dass vor allem Regisseur und Schauspieler dem Publikum im Kopf bleiben. Wer, außer uns Fexen, Fans, Nerds uns Spinnern bleibt schon bis zum allerletzten Ende eines Films sitzen und liest sich die Namen all derer durch, die scheinbar nur aus formalen Gründen im Abspann aufgelistet werden? Und selbst wenn man sich die Mühe macht, namhaft sind die wenigsten.

Und nein, es grämt mich eher doch nicht, weil bei uns das Feld der am Projekt beteiligten Akteure sehr übersichtlich ist. Wie gesagt, bisher sind wir zu dritt, bald sind es vier, fünf sechs, am Ende vielleicht nicht mehr als zehn Leute, die sich die Aufmerksamkeit des Publikums teilen werden. Und da ich von Anfang an dabei war und schließlich nicht bloße exekutive Gewalt am Set bin, wird mein Beitrag sicherlich angemessen gewürdigt werden.

Zu guter Letzt jein, da ich grundsätzlich nicht sonderlich scharf drauf bin, im Mittelpunkt zu stehen und mich feiern zu lassen. Mir reicht auch die indirekte Anerkennung. Wenn ein Film, also ein komplexes Kunstwerk, insgesamt gelobt und geschätzt wird, dann muss es wohl auch an den Effekten, dem Set und allem anderen liegen, was lediglich unbewusst wahrgenommen wird.

Liest Du deutschsprachige Science-Fiction?

Eigentlich kenn ich mich auf diesem Gebiet nicht so gut aus. Dies mag daran liegen, dass die Klassiker bekannter und zugänglicher sind. Wobei ich hier mit Zugänglichkeit auch meine, was man von anderen empfohlen bekommt, bei jemandem im Regal stehen sieht, welche Verfilmungen man kennt oder was halt irgendwie schon fast zum Alltags-Kanon gehört. Dies mag auch der Grund sein, warum ich dann doch auch die beiden bekannten Romane von Frank Schätzing gelesen habe – sie waren halt in aller Munde.

Massimo Müller

Massimo Müller

Wenn ich ehrlich bin, dann faszinieren mich die alten Klassiker mehr als die modernen, da ich mich gerne in die Zeit zurückversetzen möchte, als es noch so viel Mysteriöses und Ungeklärtes auf der Welt und um uns herum gab. Heute, so scheint es mir, ist viel entzaubert worden – vor allem durch den enormen Fortschritt in der Technik. Kaum etwas kann einen heute noch vom Hocker hauen.

Ich denke in dem Zusammenhang zum Beispiel an den recht alten Roman von Zulawski, Auf dem Silbermond. Zu dieser Zeit dachte man noch, auf der Rückseite des Mondes sei Leben und Menschen könne man bloß mittels eines riesigen Projektils zu diesem Himmelskörper befördern: Einmal abgeschossen gab es keine Rückkehr mehr! Aus heutiger Sicht erscheinen solche Ideen geradezu lächerlich, was ich eigentlich schade finde.


Offizielle Website: http://www.dasletzteland.de/
Crowdfunding: http://www.startnext.de/dasletzteland
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