Herbert M. Hurka hat eine interessante Biografie von HR Giger verfasst (dsf berichtete). Grund genug für uns, ihm ein paar Fragen zu stellen …
Wie gut haben Sie HR Giger (persönlich) gekannt?
Sehr gut, kann ich sagen, allein dadurch, dass er für das Buch sehr viel aus seinem Leben erzählt hat. Das wird sicher noch deutlicher werden während der Schilderung unserer Zusammenarbeit.
Wie haben Sie für Ihr Buch recherchiert, wie kommt man für eine Biografie an interessante Details?
Vorauszuschicken ist, dass HR Giger mir nicht nur den Vorschlag gemacht hat, seine Biografie zu schreiben, sondern mit ausdrücklich dem Wunsch an mich herangetreten ist. Was immer in meinem/unserem Buch steht, gründet sich auf Gigers Erinnerungen und Darstellungen. Daher sind sämtliche Personen und Ereignisse ausschließlich aus seiner Perspektive nieder geschrieben. Ausnahmen gibt es natürlich. Es sind die Menschen, die ich selbst kennen gelernt habe wie die damalige Lebensgefährtin und spätere Ehefrau des Künstlers, Carmen Scheifele-Giger.
Haben Sie persönliche Gespräche mit dem Künstler geführt?
Unzählige, in denen wir uns über alles Mögliche unterhielten. Über seine Arbeit, Kunst generell und allgemeine Erfahrungen, wie man sie normalerweise so austauscht. Bei meinen Besuchen in Zürich, aber auch wenn ich ihn und Carmen zu verschiedenen Events begleitet habe, zu Ausstellungen oder in seinem Museum in Gruyères. Wenn es aber ums Professionelle ging, also explizit ums Schreiben, haben wir oft täglich bis zu zwei Stunden miteinander telefoniert. Diese Kommunikationsform war ihm für unser Projekt am liebsten. Bei dem Verlag tredition, in dem ich das Buch veröffentlicht habe, ist eine mehrere Kapitel umfassende Gratis-Leseprobe abrufbar. Im Vorwort kann dort man alles noch detaillierter nachlesen über unsere Kontakte und darüber, wie ich das aufgeschrieben habe.
Wie haben Sie ihn als Menschen erlebt?
Tja, sehr schwierig – eine so besondere und komplexe Persönlichkeit wie HR Giger mit ein paar Adjektiven zu charakterisieren. Allem voran habe ich ihn als einen äußert höflichen, zurückhaltenden und herzlichen Menschen erlebt. Egal, wieviel Aufmerksamkeit er auf sich zog, er hätte sich nie in den Vordergrund gedrängt – im Gegenteil. Meistens zog er zurück, wenn ihm der Hype um seine Person zu viel wurde. Seinen Anhängern aber erfüllte er mit großer Geduld und Freundlichkeit alle Selfie- und Autogrammwünsche. Beeindruckend waren seine souveräne Intelligenz wie auch der unglaubliche Humor, den er zu bestimmten Anlässen entwickeln konnte, vor allem aber diese vorbehaltlose Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Natürlich verfügte er über ein umfassendes Wissen über Kunst und Filme. Sobald es aber um sein Werk oder wichtige Projekte ging – das musste er bei seinen Auseinandersetzungen mit den Filmkonzernen lernen – konnte er sehr entschieden und erfolgreich seine Interessen vertreten. Trotz der Anfeindungen, denen er sich und sein Werk viel zu oft ausgesetzt sah, kam niemals so etwas durch wie Verbitterung.
Spielte das Alien-Thema immer eine große Rolle bei HR Giger, oder war es nur einer von vielen Jobs?
Was ihn natürlich total beeindruckt hat, war seine Arbeit in den Shepperton-Studios, der Riesenaufwand für die zum Teil monumentalen Skulpturen und Aufbauten, seine Arbeit mit Ridley Scott, dem umfangreichen Team – überhaupt wie das alles ganz anders war als das einsame Malen im Atelier. Das gibt mir Gelegenheit, auf die „Alien Diaries 7/8“ hinzuweisen, ein 2013 in der Edition Frey erschienenes Buch, vorbildlich ediert mit Faksimiles von Gigers handschriftlichen Aufzeichnungen, Fotos und die sorgfältig in Druckschrift übertragenen Notizen. Was nun Ihre Frage speziell nach den Figuren betrifft, so entwickelt sich ja in Gigers gesamter Arbeit, in seinem ganzen Werk eins organisch aus dem anderen heraus. Aus Gemälden entstehen Skulpturen und aus Filmdesigns wiederum Bilder und Skulpturen. Zum Beispiel das unrealisierte Harkonnen-Projekt. Für Jodorowskis „Dune“ sollte er den bösen Harkonnen-Planeten gestalten – den Film hat ja hat später David Lynch gemacht. Damit seine Vorstudien nicht vergeblich gewesen sein sollten, hat er seine eigenen Harkonnen-Möbel designt, die u.a. das Mobiliar der Giger-Bars bereichern. So ist alles integriert in diesem Gesamtwerk, weil alles zu dem fantastischen Giger-Universum beiträgt und es erweitert. Die Oscar-Verleihung von 1980 blieb Zeit seines Lebens als ein Höhepunkt eingeschrieben. So viel ich weiß, hat er es nie versäumt, die alljährliche Verleihung live im TV zu verfolgen.
Wie lange haben die Vorbereitungen für Ihr Buch insgesamt gedauert?
Wie in erwähntem Vorwort zu lesen, lief das nicht ohne Komplikationen ab. Die Netto- Arbeitszeit, damit meine ich unseren persönlichen Austausch, die Gespräche mit und ohne Telefon, das parallele Schreiben und die unmittelbaren Korrekturen dauerten plus minus zwei Jahre. Später, nachdem das Projekt aus verschiedenen Gründen auf Eis gelegen hatte, gab es noch mehrere Überarbeitungsphasen – vor allem stilistische Verbesserungen. Genau lässt sich das nicht eingrenzen, weil ich ja in dieser Zeit immer auch viel Anderes geschrieben und publiziert habe.
An dieser Stelle sollte sich nun Ihre Eingangsfrage, wie gut ich HR Giger gekannt habe, weitgehend beantwortet haben. Das Buch sollte authentisch werden. Deshalb hat er mir sehr viel Persönliches anvertraut. Kann man als Außenstehender einen Menschen unter solchen Bedingungen viel besser kennen lernen? Eine Widmung, die er mir in eins seiner Bücher geschrieben hat, lautet: „In Freundschaft“. Eine erfüllte, bereichernde Zeit!