Interview: Andreas Eschbach

dsf: Hallo Andreas. Zuallererst möchte ich mich für deine Bereitschaft bedanken, mir für ein Interview zur Verfügung zu stehen. Wer ist Andreas Eschbach? Gibst du uns einen kleinen Überblick über deine Vita? Hast du Kinder?

Eschbach: Ich habe einen Sohn, der inzwischen 35 ist und Diplom-Informatiker. Ich selber bin 1959 geboren, was bekanntlich ein hervorragender Jahrgang ist, allerdings vor allem dann, wenn man ein Sekt ist. Aufgewachsen bin ich in der Nähe von Ulm, auf dem flachen Land, wo so wenig los war, dass ich mich selber beschäftigen musste, und die interessanteste Beschäftigung, die ich gefunden habe, war, auf der Schreibmaschine meines Vaters Geschichten zu schreiben. Da das überhand nahm, wurde ich ermahnt, einen ordentlichen Beruf zu erlernen, weil man vom Schreiben ja bekanntlich nicht leben kann, und diesen Rat habe ich zu befolgen versucht, indem ich in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik studiert habe, oder besser gesagt, mich mit diesem Studium gequält habe, bis ich es – schon nach 24 Semestern – eingesehen und es abgebrochen habe, um stattdessen als Softwareentwickler zu arbeiten, was mir wesentlich besser von der Hand ging. Wahrscheinlich, weil es auch was mit Schreiben zu tun hat. Ja, und irgendwann konnte ich dann erstaunlicherweise doch vom Schreiben leben, und hier sind wir nun.

Dsf: Wählen wir einen etwas ungewöhnlichen Einstieg: Wie hältst du es mit dem Helm beim Radfahren?

Eschbach: Isch ‘abe gar kein Fahrrad … Demzufolge auch keinen Helm dafür. Aber im Auto, da schnalle ich mich immer an!

Dsf: Erzählst du uns etwas über deinen Werdegang? Ich meine, du bist mir in der SF erstmalig aufgefallen, als du deinen Roman “Das Jesus Video” veröffentlicht hast. Wie bist du zur SF gekommen?

Eschbach: Das verliert sich im Dunkel der Geschichte. Irgendwie haben mich Bücher, auf deren Umschlägen Raumschiffe, Aliens oder fremde Planeten abgebildet waren, schon immer mehr interessiert als andere. Als ich ins Gymnasium kam, lernte ich einen Typen aus der Parallelklasse kennen, der später mein bester Freund werden sollte, der hat mir ein “Perry Rhodan”-Heft gegeben, und ab da war’s um mich geschehen.

Dsf: Warum gerade SF? Ich meine, es gibt immense andere Literaturströmungen. Den Mainstream beispielsweise. Was hebt für dich die SF von den anderen Strömungen ab?

Eschbach: ‘Abheben’ ist ein gutes Stichwort in diesem Zusammenhang. Ich meine, ich hab nichts gegen andere Literaturrichtungen. Ich lese querbeet, alles, was mir interessant erscheint, auch mal Thomas Mann, auch mal Kafka, auch mal einen Liebesroman oder einen historischen Schinken, und Thriller sowieso gerne, vorausgesetzt, sie sind psychopathenfrei – aber nur, wenn ich einen SF-Roman aufschlage, spüre ich, wie meine Phantasie abhebt. Die anderen Genres fahren in die unterschiedlichsten, mitunter durchaus nicht uninteressanten Richtungen, aber nur die SF fliegt.

Dsf: Auf Spiegel online ist vor einiger Zeit (Herbst 2017) ein Artikel erschienen, in dem gesagt wird, dass es heutzutage Eskapismus sei, SF NICHT zu lesen. Begründet wird das damit, dass dies die einzige Literaturgattung ist, die sich mit den Problemen der Zukunft befasst, bevor sie entstanden sind. Wie siehst du das? Ist es wirklich die Extrapolation oder werden nicht vielmehr häufig unsere Probleme der Jetztzeit lediglich verfremdet dargestellt?

Eschbach: Es gibt beides – die Extrapolation, also Entwicklungen, die man in der Gegenwart wahrnimmt, weitergedacht, aber auch das simple Verpflanzen allgemein menschlicher Probleme in eine ausgedachte, ferne Zukunft. Beides kann man gut oder schlecht machen, und beides hat etwas für sich, wenn es gut gemacht ist. Auch eine gewöhnliche Romanze auf den Mars zu verpflanzen kann ein erhellender Verfremdungseffekt sein. Wenn man es gut macht, wie gesagt.

Dsf: Wie läuft denn dein Arbeitstag ab? Haben wir uns das so vorzustellen, dass du regelmäßige Stundeneinteilungen am Tag hast? Gönnst du dir ein freies Wochenende?

Eschbach: Ein freies Wochenende? Frei wovon? Von meiner Lieblingsbeschäftigung? Das wäre ziemlich widersinnig, oder? Nein, mein Arbeitstag … ach was, mein normaler Tag sieht so aus, dass ich nach dem Frühstück an den Computer gehe und vor mich hin schreibe, bis sich irgendetwas ergibt, das mich zwingt, wieder aufzustehen und etwas anderes zu tun. Zu Mittag zu essen zum Beispiel.

Dsf: Wie lange sitzt du durchschnittlich an der Recherche/Planung eines Buches? Und wie viel Zeit benötigst du im Vergleich dazu dann mit dem Niederschreiben?

Eschbach: Das ist schwer zu sagen, weil ein großer Teil der Recherche und der Planung nebenher verläuft, während ich an anderen Büchern arbeite. Viel der Planung und der Recherche ist eigentlich ein Teil des Auswahlprozesses, zu entscheiden, welchem Roman ich das nächste Jahr meines Lebens widme.

Dsf: Kannst du dir deine Projekte frei wählen? Oder musst du, wie Verschwörungstheoretiker in der Szene gerne kolportieren, „Auftragsarbeiten“ für den Verlag erledigen?

Eschbach: Nichts gegen Verschwörungstheoretiker – was wären Phantastikautoren ohne deren Vorarbeiten? –, aber tatsächlich kann ich meine Projekte frei wählen. Im Vertrag steht sogar als Arbeitstitel meist nur “N.N.”, und was ich schreibe, erfährt der Verlag oft erst, wenn ich das Manuskript abgebe. Na gut, manchmal auch ein bisschen eher, weil ich manchmal zu spät dran bin und das Marketing schon anlaufen muss.

Dsf: Wie projektierst du deine Romane? Ich meine, es gibt ja so viele verschiedene Herangehensweisen an das Schreiben eines Buches. Manche Autoren machen sich einen ausführlichen Szenenplan, andere fangen einfach an und schreiben drauflos. Wie machst du das?

Eschbach: Ich liege irgendwo dazwischen. Ich mache mir einen nicht ganz so ausführlichen Szenenplan, und wenn ich dann anfange zu schreiben, muss ich ihn alle paar Kapitel ändern, weil die Geschichte anders verläuft als geplant.

Dsf: Gibt es wirklich die Verlagsvorgaben, was die Seitenzahlen (Stichwort Ziegelstein) eines Romans angeht oder ist das ein modernes Märchen?

Eschbach: Das ist kein Märchen, solche Vorgaben gibt es. Tatsächlich ist das die einzige Vorgabe, die in meinen Verträgen steht. Oder, wie ich es gern formuliere: Ich kann über alles schreiben, Hauptsache, ich schreibe über 600 Seiten. Was jetzt in meinem Fall nicht wirklich ein Problem ist.

Dsf: Wird es auch mal wieder Kurzgeschichten aus deiner Feder geben? Mich faszinieren vor allem Kurzgeschichten. Ich erinnere mich an ein Buch von dir, das ausschließlich aus Kurzgeschichten bestand, ein Feuerwerk der Ideen!

Eschbach: Ja, es entstehen schon ab und zu wieder Kurzgeschichten, schon weil ich ab und zu beauftragt werde, welche zu schreiben. Aber wie man am Umfang meiner Romane sehen kann, ist die kurze Form nicht so mein Zuhause. Zudem sind Kurzgeschichten schwer zu veröffentlichen, werden ungern gelesen, ungern verlegt und erreichen nur wenige Leser. Es wird also noch eine Weile dauern, bis es für einen zweiten Kurzgeschichtenband reicht, fürchte ich.

Dsf: Was macht Andreas Eschbach in seiner Freizeit? Liest er auch andere Autoren? Falls ja, welche? Und in welchem Umfang? Ich meine damit, es gibt Menschen, mich eingeschlossen, die lesen pro Woche mindestens ein Buch, wie sieht das bei dir aus?

Eschbach: Ein Buch pro Woche kommt hin. Wir haben keinen Fernsehapparat, das heißt, abends wird in der Regel gelesen. Und natürlich lese ich auch andere Autoren, was denn auch sonst? Wobei mich die Frage, welche denn, immer etwas in Verlegenheit bringt – soll ich mein Bücherregal entlanggehen und die Autorennamen abschreiben? Oder mich auf die beschränken, die mehr als einen halben Meter darin einnehmen? Stephen King gehört dazu, aber der schreibt halt auch dicke Klopper. Man kann, glaube ich, diagnostizieren, dass ich mit Vorliebe amerikanische und englische Autoren lese. Aber nicht nur – Georges Simenon zum Beispiel ist ein wichtiger Einfluss, und der war Belgier. Ab und zu muss es auch ein Murakami sein. Ich mag diese scheinbar einfache Sprache, zu der die beiden gelangen. “Lüterarisch” vor sich hin schwurbelnde Texte dagegen lassen mich kalt. Wenn ein Buch in Rezensionen als “wortmächtig” oder dergleichen gelobt wird, dann weiß ich schon, es wird mir vermutlich nicht gefallen.

Dsf: Kommen wir zu deinem neuesten Werk: NSA. Du kennst meine Rezension. Was hat dich dazu bewogen dieses Thema zu wählen? Ich meine, es ist ja durchaus eine politische Aussage damit verbunden. Ich sehe mit Schrecken die Erstarkung im rechten Spektrum des politischen Systems und mir graut davor, dass es nicht mehr wirklich unwahrscheinlich erscheint, dass der Innenminister nach der nächsten Bundestagswahl von der AfD gestellt wird. Da könnten durchaus von dir im Roman beschriebene Mechanismen eingesetzt werden.

Eschbach: Dass man sich das mittlerweile durchaus vorstellen kann, war durchaus ein Antrieb, diesen Roman zu schreiben. Wobei ich mich da gar nicht auf eine Himmelsrichtung festlegen würde – ob mich ein Hitler ins KZ oder ein Stalin in den Gulag schickt, macht keinen großen Unterschied, und überdies kann man sich heutzutage ja auch religiösen Extremismus an der Macht viel zu gut vorstellen. Was Extremismus jedweder Art in Kombination mit Computertechnologie bedeutet: das ist das eigentliche Thema meines Romans – nicht das Dritte Reich an sich.

Dsf: Du hast ganz bewusst darauf verzichtet, den Roman mit einem positiven Ausblick zu beenden. Bist du der Meinung, dass, wenn die vorhandene Technologie in die Hände eines totalitären Regimes fällt, eine Rebellion ausgeschlossen ist?

Eschbach: Da wir es vorhin von modernen Märchen hatten: Dass die sozialen Medien Revolutionen auslösen, böse Regierungen stürzen und die Welt besser machen, ist so eins. Würde es in einem mit technischer Überwachung in heutigem Maßstab ausgerüsteten Dritten Reich auch einen Widerstand geben, der sich technischer Mittel bedient? Ja, wahrscheinlich – und wahrscheinlich würde er gerade deswegen jeweils schnell entdeckt und ausgemerzt, denn so ein Widerstand muss sich ja erst einmal finden und formen und zusammentun, und bis er so weit wäre, etwas Wirksames zu unternehmen, hätte er schon viel zu viele Spuren hinterlassen. Und was wäre denn überhaupt wirksam? Reines Aufdecken, das wissen wir seit Edward Snowdens Stunt, bewirkt ungefähr so viel wie die Flugblattaktionen der “Weißen Rose”, nämlich nichts – außer der Entstehung von Helden vielleicht, und auch das erst, wenn ihre Seite gewonnen hat. Also müsste es schon Cyberterrorismus sein, Attacken auf die digitale Infrastruktur selbst. Dass eine Gruppe junger Rebellen das hinbekommt, während der Staat, den sie bekämpfen, siegt und siegt, halte ich für Wunschdenken.
Eine Rebellion würde erst Erfolg haben, wenn die Machtstrukturen in ausreichendem Maße erodiert sind. Das ist in einer Diktatur nur eine Frage der Zeit, aber es würde in jenem anderen Geschichtsverlauf, der uns in der Realität erspart geblieben ist, wahrscheinlich erst ungefähr heute passieren. Was ein ganz anderer Roman wäre – den vielleicht jemand anders gerade schreibt.

Dsf: Viele Menschen begegnen mir mit der These: Wenn ich mal viel Zeit habe, so als Rentner, dann schreibe ich auch ein Buch. Ideen habe ich ja genug. Ich entgegne dann immer: Die Zeit ist nicht der Faktor. Andere Menschen haben auch Hobbies, die sie täglich bedienen, die Zeit kann man auch in ein Buchprojekt stecken. Ich muss vielmehr etwas zu erzählen haben. Was würdest du einem angehenden Autor raten, wie sollte er vorgehen?

Eschbach: Also, jedenfalls nicht warten, bis man Rentner ist. Die Rentner, die ich kenne, die haben nämlich alle keine Zeit …
Und natürlich ist die Zeit, die angeblich fehlt – aber fürs Fernsehen, Zeitungslesen und dergleichen dann doch da ist – nicht der entscheidende Punkt, sondern Entschlossenheit. Wenn du wirklich entschlossen bist, ein Buch zu schreiben – wer sollte dich daran hindern? Niemand kann dich daran hindern, außer du selbst. Und das ist, was man tut, wenn man sich die Ausrede glaubt, man habe keine Zeit. Tatsächlich hat jeder Mensch genau gleich viel Zeit, nämlich 24 Stunden pro Tag. Einzig die Anzahl der Tage, die uns gegeben sind, ist nicht gleich verteilt. Weswegen es Blödsinn ist, das mit dem Buch vor sich her zu schieben, wenn es einem wirklich wichtig ist.
Den meisten ist es allerdings in Wirklichkeit nicht so wichtig, wie sie denken. Und es muss ja nun auch wirklich nicht jeder ein Buch schreiben.

Dsf: Wie weit ist dein Vorlauf? Wie viele Bücher sind bereits fertig, wenn eines erscheint? Schreibst du an einem weiteren Buch?

Eschbach: Klar. Ich bin meistens mitten im nächsten Buch, wenn eines erscheint und ich damit auf Lesereise gehe. Außerdem habe ich immer ein paar Romanprojekte auf kleiner Flamme vor sich hin köcheln, die ich vielleicht irgendwann realisiere und für die ich nebenher Ideen sammle und ein bisschen recherchiere.

Dsf: Kannst/darfst du uns einen Ausblick geben, was wir in naher Zukunft aus deiner Feder zu erwarten haben?

Eschbach: Nun, nach “NSA” und dem “Perry Rhodan”-Roman schreibe ich, wenig überraschend, am dritten Band meiner Meermädchen-Serie, auf den schon viele warten. Was danach kommt, weiß ich im Moment selber noch nicht. Wahrscheinlich wieder was ganz anderes …

Dsf: Ich vergleiche das Schreiben eines Buches gerne mit der Zeugung und Geburt eines Kindes. Der Beginn ist wunderschön, zum Ende hin wird es immer beschwerlicher und der Schluss ist häufig Schmerz pur. Dann kommt die plötzliche Erleichterung und der Autor fällt in ein Loch. Kannst du dich in dieser Beschreibung wiederfinden?

Eschbach: Nein, nicht im mindesten. Es gibt gute und weniger gute Tage, und mindestens einmal pro Roman verflucht man sich dafür, sich ausgerechnet diese Idee vorgenommen zu haben, aber alles in allem ist das eigentliche Schreiben der angenehme Teil. Danach wird’s dann lästig – das Lektorat dauert gefühlt ewig; wenn die Fahnen kommen, kann man den Text schon nicht mehr sehen; was sich zum Glück gelegt hat, bis das Buch erscheint und man sich bei nasskaltem Herbstwetter der Eisenbahn anvertrauen muss, um damit auf Lesereise zu gehen.

Dsf: Wie gut bist du in der Szene vernetzt? Ich meine, ist Andreas Eschbach eher ein Einzelkämpfer oder gibt es da Zusammenkünfte mit anderen Autoren, quasi ein Austausch/Brainstorming?

Eschbach: Ich stehe zwar durchaus mit etlichen Autorinnen und Autoren in Kontakt, die ich über die Seminare in Wolfenbüttel kennengelernt habe oder weil sie dieselben Verlage haben oder dieselben Literaturfestivals besuchen, aber was das Schreiben anbelangt, bin ich eindeutig Einzelkämpfer.

Dsf: Gibt es Zeiten, in denen du eine Schreibblockade hast? Ich kenne zum Beispiel Situationen, in denen ich zwar weiß, wie die Geschichte weitergehen soll, ich aber einfach nicht die Worte finde, dies zu schreiben. Nun ist das bei mir unspektakulär, ich kann den Text dann einfach mal Wochen oder Monate liegen lassen. Wie gehst du mit solchen Situationen um?

Eschbach: Ich halte nichts von dem Begriff ‘Schreibblockade’. So etwas gibt es nicht, so wenig wie ‘Fahrblockade’ bei Busfahrern oder ‘Kochblockade’ bei Köchen. Was es gibt, ist, dass man nicht weiß, wie es weitergehen soll, oder dass man keine Lust hat, oder irgendein anderer Grund, warum es eben nicht weitergeht. Aber es hat keinen Sinn, das nicht als das zu benennen, was es ist. Der Arzt sagt auch nicht, ‘Sie haben eine Gesundheitsblockade’, sondern er sagt: ‘Sie haben eine Mandelentzündung’ oder was auch immer. Nur, wenn man es klar benennt, kann man etwas Wirksames dagegen unternehmen. Wenn man nicht weiß, wie es weitergehen soll, dann hilft es vielleicht, erst mal einen langen, einsamen Spaziergang zu machen. Oder sich das Exposé oder die Outline nochmal in Ruhe vorzunehmen und mit Möglichkeiten zu spielen. Oder mit jemandem darüber zu diskutieren. Da entwickelt jeder so seine Methoden, die für ihn funktionieren. Wenn man die Worte nicht findet, kann man Cluster malen, oder nachlesen, wie andere Autoren so ähnliche Situation geschildert haben, oder im Wörterbuch blättern, oder erst mal ein Gedicht schreiben – oder die betreffende Stelle erst mal auslassen und eine Szene zu schreiben, die erst weiter hinten kommt. Manchmal stellt sich dabei heraus, dass die ‘schwierige’ Szene ohnehin entbehrlich war.
Und wenn man keine Lust hat, kann man auch mal ein paar Tage blau machen. Die Lust am Schreiben kommt schon von selber wieder.

Dsf: Könntest du dir auch Projekte mit anderen Autoren vorstellen? Ich stelle mir das schwierig bis unmöglich vor, will ich doch immer meine Ideen umsetzen und nicht die der anderen. In der Szene gibt es aber genügend Beispiele. Angefangen vom Schreiben nach Exposé bis hin zu echten Kooperationen zwischen zwei oder mehr Autoren. Wie siehst du so ein Projekt?

Eschbach: Ich bewundere es, wenn Leute das hinkriegen, denn ich könnte das nicht. Ich hab’s ein paarmal versucht, aber meistens bedeutete so ein Versuch das Ende einer wunderbaren Freundschaft.

Dsf: In der Literatur gibt es genügend Beispiele, dass das Alterswerk eines Autors nicht mehr die Qualität hat, die der Autor auf dem Höhepunkt seines Schaffens hatte. Stellvertretend seien hier nur Karl May, Robert Heinlein oder Isaac Asimov erwähnt. Hast du vor einer solchen Entwicklung Angst? Ich persönlich hoffe darauf, dass man mich darauf hinweist, wenn es so weit ist. Wie siehst du das?

Eschbach: Das gibt es, aber es gibt auch Autoren, die mit dem Alter immer besser werden, wie guter Wein. Ich glaube gar nicht, dass literarische Qualität zwangsläufig etwas mit dem Alter zu tun hat. Die Ursachen für Aufs und Abs in der Qualität des Schreibens würde ich eher anderswo suchen, in äußeren Lebensumständen vielleicht, die die Einstellung zum Schreiben verändern.

Dsf: Wie siehst du überhaupt dein Schaffen? Gibt es da Personen deines Vertrauens, die dir ehrlich ihre Meinung sagen? Oder gibt es da kein Korrektiv?

Eschbach: Meine Frau ist da völlig erbarmungslos, und da an ihr eine Lektorin verloren gegangen ist, auch sehr spezifisch.

Dsf: Wenn ich einen Text fertiggestellt habe, bin ich in der Sekunde des Abschlusses euphorisch. Endlich geschafft …, und überzeugt davon, etwas absolut Geniales verfasst zu haben. In der Sekunde danach kommt dann immer der Absturz, die Selbstzweifel. Ich überlege dann, ob das Werk überhaupt jemals das Licht der Öffentlichkeit erreichen darf, weil ich mir urplötzlich aller Schwächen bewusst werde (ob berechtigt oder nicht sei mal dahingestellt). Kennst du solche Zustände auch und falls ja, wie meisterst du sie?

Eschbach: Ich habe ja das Glück, im Lauf meines Lebens doch so viel Zuspruch zu dem, was ich schreibe, erfahren zu haben, dass ich nicht mehr grundsätzlich an meiner Befähigung dazu zweifle. Hinzu kommt, dass es so etwas wie den perfekten Roman ohnehin nicht gibt; er darf also seine Schwächen haben, solange ich alles tue, ihn so gut zu machen, wie ich es nur irgend hinkriege.

Dsf: Die SF-Literatur scheint sich im Niedergang zu befinden. In anderen Medien (Film, Computerspiel) ist eher das Gegenteil der Fall. Warum ist das deiner Meinung nach so? Ist es überhaupt so?

Eschbach: Seit ich denken kann, höre ich, dass die Benzinpreise steigen und es mit der SF-Literatur abwärts geht. Aber der Benzinpreis liegt immer noch nicht bei tausend Euro pro Liter, und SF gibt es auch immer noch, also sollten wir uns vielleicht erst dann Sorgen machen, wenn nicht mehr über den Niedergang der SF geklagt wird.

Dsf: Es gibt mehrere deutsche SF-Literaturpreise, die in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit ein Schattendasein frönen. Gibt es deiner Meinung nach Möglichkeiten, das zu ändern?

Eschbach: Keine Ahnung. Mein Eindruck ist, dass sich die Öffentlichkeit um Literaturpreise generell so gut wie überhaupt nicht kümmert. Die meisten Leute wissen gerade mal, dass es den Nobelpreis für Literatur gibt, aber schon nicht mehr, wer ihn zuletzt gewonnen hat.

Dsf: In diesem Zusammenhang: Dein aktuelles Buch „NSA“ wird als Roman und nicht als SF angeboten. Ist es wirklich in der Literatur „verkaufsschädigend“, wenn auf einem Buch das Label SF erscheint? In anderen Medien (Film/Computerspiel) scheint mir das eher ein Gütesiegel zu sein.

Eschbach: Das täuscht: Auch Filme wie “Star Wars” werden ja nicht als “Science-Fiction-Filme” beworben, sondern eben einfach als “Filme”, “Blockbuster” oder dergleichen. Der Begriff “Science Fiction” ist der Verkäuflichkeit tatsächlich nicht zuträglich, außer, man richtet sich spezifisch an ausgesprochene SF-Fans.

Dsf: Ich habe dich eingangs gefragt, wie du es mit dem Helm beim Radfahren hältst. Hintergrund für diese Frage ist, dass ich der Meinung bin, dass wir in unserer Gesellschaft mittlerweile eine Art Diktatur der Fürsorge erfahren. Eine Art der Diktatur, die sich auch durchaus der Überwachungstechnologie bedienen könnte. Wie siehst du diese Art der Entwicklung?

Eschbach: Ja, da geht in der Tat eine seltsame Infantilisierung vor sich. Auch wenn man zum Beispiel mit dem Zug unterwegs ist und an jedem verdammten Bahnhof, an dem er hält, gemahnt wird, man solle nichts im Zug vergessen: Ein erwachsener Mensch denkt an so etwas von selber, der braucht keine Deutsche-Bahn-Mami, die ihn daran erinnert. Was kommt als Nächstes? Werden wir ermahnt, den Mantel zuzumachen, wenn wir aussteigen, weil es draußen kalt ist? Werden Betreuer eingestellt, die uns die Nase putzen? Man darf gespannt sein.*

Dsf: Lieber Andreas, ich möchte mich an dieser Stelle recht herzlich für das Interview bedanken.

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*Wir sind gespannt, ob jemand eine Geschichte darüber schreibt. Kurzgeschichten können gerne bei uns eingereicht werden!