Rezension: „Black Box“ von Norbert Stöbe

Es ist schon eine Weile her, dass ich Norbert Stöbes Roman „Black Box“ gelesen habe (p.machinery 2023). Damals hielt ich das Buch für grundsolide. Heute stelle ich fest: Die mit rund 220 Seiten relativ kurze Geschichte will mir nicht mehr aus dem Kopf. Und das hat seine Gründe: Ich habe das Buch unterschätzt. Es ist definitiv mehr als „nur“ solide.

Vielleicht sollte ich so anfangen: Stellt euch einmal vor, dass ihr in einer hoch entwickelten Welt lebt, in der es euch an nichts mangelt. Eines Tages stehen die ersten Vertreter einer benachbarten Welt auf der Türschwelle. Diese ist überbevölkert, technisch weniger weit entwickelt und steht noch dazu am Rand einer wirtschaftlichen und ökologischen Katastrophe. Offensichtlich sind die Menschen, die einen weiten Weg hinter sich haben, auf der Suche nach neuem Lebensraum. Bei euch. Also, was tun? Die Besucher sind lästig. Ihr wollt sie schleunigst wieder loswerden. Aber ihr könnt sie ja auch nicht einfach so, mit leeren Händen wieder wegschicken. Das widerspräche euren hohen moralischen Ansprüchen. Also lasst ihr euch etwas einfallen. Eure Idee hat zugleich den Vorteil, dass die Fremden euch nie wieder belästigen werden …

Das klingt zum Teil sehr vertraut, oder? Nun ja. Ganz ehrlich? Alles, was ich bis jetzt geschrieben habe, hat kaum etwas mit der Geschichte zu tun, die uns Norbert Stöbe tatsächlich in seinem Buch erzählt.

Also nochmal von vorne: „Black Box“ ist die fantastische Lebensgeschichte von John Nowak. Im Prolog des Romans begleiten wir ihn zunächst ein paar Seiten lang auf seiner Jahrzehnte währenden Reise in einem interstellaren Raumschiff. John Nowak ist ein Art Roboter, in den man die Bewusstseinssimulation eines echten Menschen hochgeladen hat. Und dann, ganz plötzlich, findet er sich auf der Erde wieder, genauer gesagt: im Erdorbit, wo er als Einziger seines Teams und gänzlich unerwartet in einer Raumstation auftaucht – nicht mehr als Roboter, sondern als Mensch.

Natürlich wird er berühmt. Der „echte“ John Nowak ist schließlich schon vor langer Zeit gestorben. Und hier beginnt die eigentliche Handlung des Romans: Norbert Stöbe schickt seine Hauptfigur – die vermeintliche Kopie eines toten Mannes – auf eine Reise. Sie wird zu einer Suche nach sich selbst. Nowak muss um die Anerkennung seiner Identität kämpfen. Dabei gerät er in die Hände einer schrägen Anwältin und weiterer obskurer Gestalten. Besonders unterhaltsam fand ich den Teil, als Nowak – nicht ganz freiwillig – in den Fängen einer Sekte landet, die ihn zu ihrem Guru erklärt und für ihre Zwecke instrumentalisiert. Ich will hier nicht zu viel verraten. Nur so viel: Nowak hat eine Mission, der er sich lange Zeit nicht bewusst ist. Erst nachdem er sich von allen Zwängen befreit hat, ist er in der Lage, einen schwarzen Kasten zu bauen – ein Stück Technik, dessen Funktionsweise nur er begreift und das eine wichtige Rolle für die Zukunft unseres Planeten spielen wird.

Stöbe erzählt eine gute und überaus positive Geschichte, hier ein bisschen böse, dort mit einer schönen Prise Humor. Sie ist voller Wendungen und bietet einen in jeder Hinsicht logischen Schluss. Sprachlich und stilistisch bewegt sie sich auf einem wohltuend hohen Niveau – wie man es von Norbert Stöbe kennt und erwarten kann.

Dabei variiert er bekannte Themen der Science-Fiction-Literatur: Die Menschen bringen ihren Planeten an den Rand des Abgrunds. Sie brechen auf zu neuen, vielleicht besseren Welten. Eine außerirdische Rasse sieht sich – aus welchem Grund auch immer – zum Eingreifen gezwungen … Norbert Stöbe hat all diese Motive aufgegriffen und etwas Neues daraus gemacht. Was genau, das solltet ihr am besten selbst entdecken. Seine Variante ist auf jeden Fall originell. Womit ich übrigens wieder beim Anfang angekommen wäre – denn das ist es, was seinen Roman so besonders macht.

Wie gesagt: „Black Box“ hat ein positives Ende. Dass alles auch ganz anders hätte laufen können, zeigen einige kurze Geschichten im Anhang des Buchs.

Unterhaltung:

Anspruch:

Originalität: