Interview mit Myra Çakan

In zwei bis drei Wochen ist es so weit: der “neue Çakan” wird bundesweit die Bücherregale füllen und Leserherzen erobern … Ich habe Myra schon im Vorhinein einige Fragen zu diesem Buch und zu ihrem literarischen Schaffen gestellt:

Myra Çakan (Foto: © Thomas Müller, Hamburg)

Du magst Musik, deine Romane tragen Titel wie „Downtown Blues“ und „When the Music’s over“. In deinem Facebookprofil steht, dass du u. a. Creedence Clearwater Revival favorisierst. Inwiefern spielt Musik beim Schreiben deiner Fiction eine Rolle? Und, weil auch ich ein Creedence-Fan bin: was ist dein Lieblinssong? Mein Lieblingsalbum: ganz klar „Willy and the Poorboys“ …

Früher habe ich nur bei Musik geschrieben. Es ist dann im laufe der Jahre immer weniger geworden. Mittlerweile höre ich dabei kaum noch Musik. Vielleicht liegt das daran, das ich den Groove inzwischen in meiner Schreibe habe „g“. Eine Zeitlang habe ich Musik auch dazu benutzt, um mich in eine bestimmte Stimmung zu versetzen. Vielleicht kommt das beim nächsten Buch wieder, wer weiß. CCR mag ich sehr, besonders die Songs die so richtig nach „Sumpf“ klingen, „Born in the Bayou“ – natürlich. Mein Musikgeschmack geht aber wirklich total Querbeet. In diesem Augenblick habe ich gerade „Calexico“ im cd-player.

Dein neuer Roman „Dreimal Proxima Centauri und zurück“ vereint Elemente aus Comic Novel, Space Opera und Steampunk. Aber wo ist eigentlich die Musik in diesem Werk? Oder müssen wir uns selbst auf die Suche nach den Zwischentönen begeben, die in den Durchschüssen verborgen liegen?

Nun, da es in einem der Handlungsstränge um die „traditionelle Bordrevue“ geht – die Geschichte spielt auf einem Kreuzfahrtraumschiff – ist die Musik offensichtlich. Es gibt sogar ein kleines Programmheft im Buch, mit den Liedtexten. Die neue Kindle-Version von WTMO hat übrigens auch einige Songtexte – von den Runners und den Masters.

Mal im Ernst: Es geht um eine galaktische Kreuzfahrt auf der „Stern von Beteigeuze“. Die Protagonistin lernt verschiedenste skurrile Charaktere kennen. Haben deine Figuren eigentlich reale Vorbilder? Und wenn ja, bist du ihnen schon persönlich begegnet oder siehst du sie „nur“ im TV oder in anderen Romanen?

Meine Figuren haben keine fremden Vorbilder (TV, Film, Roman). Meistens sind sie eine Mischung aus mehreren realen Personen, oder Realität und Phantasie sind sozusagen die Eltern. Oder alles ist ganz anders … Banamarama Halcion hat z. B. viel von meiner alten Schauspiellehrerin. Was mir aber wichtig ist, die Figuren in „Dreimal Proxima…“ sind keine Karikaturen, in sich sind sie durchaus „echt“.

Im Pressetext zu „Dreimal Proxima …“ steht u. a.: „Auf dem luxuriösen Kreuzfahrtraumschiff ist kaum einer der Passagiere, was er vorgibt.“ Was hat dich an diesem Felixkrull’schen Plot besonders gereizt? Sind es die altbekannten Verwechslungsspielchen à la Hotel Paradiso? Oder zielt das Ganze auf eine überraschende Wendung, die du uns in diesem Interview natürlich vorenthalten musst?

Ich liebe alte Screwball-Komödien. „Dreimal Proxima Centauri und zurück“ ist ja zuerst als Hörspiel entstanden, die Dialoge gehen da auch mehr in die Richtung. Den Roman habe ich in einer Art Steampunk-Universum angesiedelt und die Sprache ist auch dementsprechend etwas gedrechselt. Zu deiner Frage, es ist eigentlich ein klassischer Screwball-Plot mit diversen anderen Genre-Einschlägen. Das war übrigens der Reiz, mal etwas ganz anderes zu machen. Und diese Worte, ich liebe diese altmodischen Worte – wenn du den Roman liest, wirst du wissen, was ich meine.

Bestimmt hast du auch diverse Comic Novels gelesen, oder? Mich haben die von Jerome K. Jerome besonders fasziniert wegen ihres einzigartigen Humors. Hast du Favoriten in dieser Richtung?

Da muss ich dich enttäuschen, Sven.

„When the Music’s over“ war ein Erfolg. Glaubst du, dass die allgemeine Angst vor der Klimakatastrophe dazu beigetragen hat? Immerhin gehen viele Wissenschaftler davon aus, dass (nicht nur) die Niederlande in diesem Jahrhundert ernsthaft bedroht sind vom Ansteigen des Meeresspiegels … Wie siehst du diese Problematik persönlich?

Ach nö, das glaube ich nicht. Da hat John Brunner mit „Schafe blicken auf“ doch die absolute Vorreiterstellung. Die Welt in Zeiten der akuten Klimakatastrophe bildet ja nur den Hintergrund von WTMO. Ich glaube, der große Erfolg (der Roman verkauft sich immer noch) liegt daran, dass es so unterschiedliche Charaktere und Handlungsstränge gibt. Meine Lieblingsfiguren sind z. B. Skadi und Pierce. Andere mögen Sunshine oder Blue besonders. Als ich damals das Drehbuch geschrieben habe, war einer der Produzenten ganz geknickt, dass ich Doc gekillt hatte. Meine Meinung zur Klimakatastrophe? Mit Energiesparlampen kann man keinen Planeten retten. Vor einigen Tagen ging durch die Nachrichten, dass 2010 so viel klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre gelangte wie nie zuvor. An eine „allgemeine Angst“ glaube ich nicht, nur an eine „allgemeine Verdrängung“. Und deshalb wird sich auch nichts Grundsätzliches ändern. Auch wenn es mich natürlich freuen würde, wenn WTMO zu Denkanstößen geführt hätte, sehe ich die „Aufgabe“ eines Schriftstellers nicht in der Belehrung seiner Leser.

Ja, und woher kommt eigentlich dieser Spirit, der für deine Werke charakteristisch ist? Dieses morbide Gemisch aus sozialer Diskrepanz und individueller Power, die deinen Protagonisten immer wieder neues Leben einhaucht, auch wenn die Situation schon aussichtslos scheint? Gibt es da Parallelen zu deinem eigenen Leben?

In „Dreimal Proxima Centauri“ wirst du davon nicht so viel finden. Obwohl Fräulein Mimkovsky, die Protagonistin, in ihrem Leben auch schon mit allerlei Widrigkeiten zu kämpfen hatte. Für sie sind in solchem Fall solide Schuhe essentiell. Wer weiß? Wer kreativ arbeitet, muss schon hart im Nehmen sein. Gleichzeitig muss man sich seine Sensibilität bewahren. Ohne individuelle Power geht da gar nichts.

Als Autor interessiert mich natürlich auch, wie du handwerklich operierst. Sprich: Wie bereitest du dich auf ein neues Projekt vor? Gibt es da Standardprozeduren? Oder ist jedes Mal für dich wie das erste (bitte nicht falsch verstehen)?

Die Formel ist ganz simpel: Es gibt keine. Es macht „klick“ und dann weiß ich, das ist es. Ich schreibe auch recht unstrukturiert – ein Exposé mache ich nur für den Verkauf. Verstehe mich jetzt nicht falsch, ich weiß durchaus was ich tue und wie das fertige Buch, Hörspiel etc. aussehen soll. Ich recherchiere teilweise auch intensiv. Das fließt dann zwar nicht alles in den Text ein. Aber zu wissen worüber man schreibt gibt Sicherheit – denn wenn die Protagonisten erst übernehmen ist nichts mehr sicher „g“.

Deine Romane haben in Deutschland viel Beachtung gefunden. Planst du, auch Übersetzungen davon im Ausland zu veröffentlichen? Wie stehen da die Chancen? Und wirst du dann selbst übersetzen?

Selbst übersetzen bestimmt nicht. In der Vergangenheit gab es schon Interesse, besonders an WTMO. Mal sehen, was die Zukunft bringt.

Welche literarischen Projekte sind für die nahe Zukunft geplant (sorry, eine Standardfrage)?

Schwierige Frage. Ich jongliere immer mit mehreren Projekten. Es gibt zwei Romanprojekte, die schon seit längerem auf ihre Fertigstellung warten. Was Hörspiele anbelangt würde ich gerne mal wieder etwas in Richtung Krimi oder Thriller machen. True Crime, ähnlich wie „Tanzpartner“ reizt mich auch. Seit kurzem sagt da aber eine energische Stimme in meinem Kopf ständig „Cyberpunk“… und der dritte und abschließende „Luke Harrison“ will auch endlich geschrieben werden – ich lass mich überraschen.

Zum Schluss würde mich (und vielleicht auch andere) noch interessieren, wie du eigentlich ohne Sonnenbrille aussiehst. Welche Augenfarbe hast du? Oder besitzt du bereits Augenimplantate, von denen der Rest der Menschheit noch nichts weiß?

Surf mal durch meine Webseite – dardariee.de – da gibt es auch brillenfreie Fotos.

Vielen Dank für das Interview!

Gesagt, getan! (Foto: © Thomas Müller, Hamburg)

 

Website von Myra Cakan? Schaut mal in der letzten Antwort nach!

Blog der Autorin

"Der neue" von Myra Çakan.