Na, ganz so weit ist es noch nicht, aber immerhin: ein Roboter-Rat ist bereits aktiviert worden … Weiterlesen
Kategorie: Artikel
Tote Quote?
Alle reden über die Einschaltquoten. Werbebudgets werden auf Grundlage dieser Statistiken geplant. Serien werden zu Blockbustern – oder abgesetzt. Aber ist die herkömmliche Ermittlung der Einschaltquoten in Zeiten sozialer Netzwerke und viralem Internet überhaupt zeitgemäß? Und was hat das bitteschön mit deutscher Sciencefiction und Haßloch zu tun?
Das war der U-Con
Schade, schon vorbei!
Drei Tage lang war Dortmund der Nabel der europäischen SF-Welt. Klingt übertrieben? Mag sein. Aber wer da war, hat es sicher nicht bereut. Statt länglichem Textbla präsentieren wir euch hier einfach eine U-Con-Bilderstrecke mit launigen Kommentaren. Wohl bekomm’s!
Vielen Dank an Norbert Fiks für die zur Verfügung gestellten Fotos!
Interview mit Jo Koren
Die KLP-Nominierungen sind raus und Jo Koren ist auch hier vertreten, wie schon beim DSFP. Grund genug, die Schriftstellerin anzumailen …
Rezension: “Transport 3 – Todeszone” von Phillip P. Peterson
Der Mann mit dem Pseudonym, von dem man nicht weiß, ob es einen angloamerikanischen oder einen norddeutschen Namen suggerieren soll, legt den dritten Teil der “Transport”-Reihe vor.
Die unfreiwilligen Siedler auf New California müssen sich damit abfinden, dass die Erde sie wiedergefunden hat. Das geschah bereits auf den letzten Seiten des zweiten Bandes. Hier wird nun klar, wie sie es geschafft haben: Der Transporter auf der Venus ist genutzt worden. Russell und sein Team hatten diesen nicht zerstört, weil sie davon ausgingen, dass er für die Erdenmenschen ohnehin unerreichbar war – ein Trugschluss.
Nun, die Kolonie auf New California wird unterdrückt. Soldaten oder vielmehr Söldner im Dienst der Erde, die selber auf einer one-way-Mission sind, gehen recht brutal vor. Als wäre das alleine nicht schon schlimm genug stellt sich heraus, dass irgendjemand damit begonnen hat, das Transporternetz in der Galaxis zu zerstören. Bald ist klar, dass nur noch wenig Zeit vergehen wird, bis auch der Transporter auf New California und wenig später dann der auf der Venus diesem Phänomen zum Opfer fallen wird.
Nun, Russell wäre nicht Russell, wenn ihm dazu nicht etwas einfiele. Was, wird an dieser Stelle selbstredend nicht erwähnt.
Das Buch ist spannend geschrieben, die einzelnen Figuren und deren zwischenmenschliche Beziehungen flechten sich gut in den allgemeinen Kontext ein. Ein gelungener Mix! Ich habe das 323 Seiten starke Werk an drei Abenden verschlungen.
Einen Kritikpunkt habe ich dennoch und der wirkt in meinen Augen recht schwer: Der Pathos. Immer wieder haben wir hier die (etwas übertriebene) Freiheitsliebe der Kolonisten auf der einen und die unbedingte Befehlstreue der irdischen Söldner auf der anderen Seite. Hm, so handeln m. E. normale Menschen nicht. Ob das in Ausnahmesituationen (und in denen befinden sich nunmal alle handelnden Personen in dem Roman) so sein mag, kann ich logischerweise nicht beurteilen, aber vorstellen mag ich es mir nicht. Wenn ich an meinen Wehrdienst bei der Bundeswehr zurückdenke (gut, das ist lange her, Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts), dann erinnere ich, dass uns Rekruten von der ersten Stunde an eingebleut wurde, das Befehle zu hinterfragen und ggf. auch abzulehnen sind, wenn sie zu weit gehen. Nun, vielleicht ist das wirklichkeitsfremd, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich einen Befehl befolge, der mich und viele andere mit Sicherheit durch mein eigenes Handeln umbringen wird, wo doch eine ungefährliche Alternative vorhanden ist und sogar vorgeschlagen wird.
OK, das ist der Dramaturgie geschuldet, aber vorstellen kann ich es mir trotzdem nicht.
Und dann ist da noch der Pathos der Aufopferung! Sorry, aber das stieß mir ganz übel auf. Da wundern wir uns über die Selbstmordattentäter, reden davon, dass das nur mithilfe von Gehirnwäsche möglich ist und bedienen das Klischee stets und ständig in der Literatur. Da hätte es auch andere Lösungen gegeben, als Autor hat man es in der Hand.
Grundsätzlich ein spannendes Buch ohne Logikbrüche. Wegen der vorgenannten Punkte dennoch einen Punkt Abzug. Demnach vier von fünf möglichen.
Rezension: !Xaver und !Alois
Eine rare Ausnahme sind hierzulande inhaltlich brauchbare und gleichzeitig handliche Sekundärwerke zur SF (der Ziegelstein “Das SF-Jahr” fällt nicht unter “handlich”).
Umso wichtiger ist es uns, auf zwei passende Beispiele hinzuweisen.
Wer in den letzten Jahren den einen oder anderen SF-Con besucht hat, der hat womöglich bereits ein Panel des “Phantastischen Quartetts” erlebt, in dem Ralf Bodemann, Christian Hoffmann, Udo Klotz und Stefan Kuhn “Perlen der Science Fiction” vorstellen.
Die beiden Magazine “!Xaver” (2015) und “!Alois” (2016) sind die Papier gewordenen Panels für alle, die sie verpasst haben, plus Bonus.
Beide Ausgaben bringen persönlich gefärbte Leseempfehlungen aus allen Sparten des Genres – Anthologien, Romane, Klassiker, Trash, Serien, Sekundäres, Neues, deutsche und internationale Werke. Hinzu kommen fachkundige Artikel über Autoren wie David Brin oder Thomas Thiemeyer, und sogar Überlegungen, was an einem SF-Werk eigentlich zu einer positiven Rezeption führt, inklusiver diverser Zitate. Auch wenn es nicht direkt im Sinne der Verfasser gewesen sein mag: Ich persönlich glaube, dass sich gerade einige weniger erfahrene SF-Autoren die beiden Magazine zu Gemüte führen sollten – für mehr Qualität in der SF!
Einzige schlechte Nachricht: Es gibt wohl nur sehr wenige Leser, die es schaffen werden, bis zu ihrem Tod alle empfehlenswerten Werke (zuzüglich dem ohnehin schon vorhandenen Stapel ungelesener Bücher) zu genießen. Aber man kann ja zumindest mal anfangen…
Die hochwertig aufgemachten Hefte sind für 3 (Xaver) bzw. 4 Euro plus Porto im Moment nur per Email-Bestellung zu beziehen. Wendet euch vertrauensvoll an Stefan Kuhn: stef.kuhn(at)yahoo.de
Rezension: “MEMOX: Das Zittern der Zeit” von Peter Pakulat
Seltsame Dinge geschehen in Berlin: Spatzen fliegen gegen Bäume und es regnet Augäpfel. Und in China kostet ein Erdbeben tausende Menschenleben. Ein Hamburger Blogger ahnt, dass es einen Zusammenhang gibt, und beginnt zu recherchieren.
Peter Pakulats SF-Roman “MEMOX: Das Zittern der Zeit” ist ein Selfpublisher-Bestseller bei Amazon. Man versteht beim Lesen ziemlich schnell, warum: Die Geschichte überbietet an Ideenreichtum den größten Teil der Konkurrenz. So viel Kreativität macht einfach Spaß. Das kann gar nicht genug hervorgehoben werden, denn einige andere SF-Autoren glauben, aus einer einzigen oder auch gar keiner Idee einen Roman machen zu können. Was bei Vampirschmonzetten funktionieren mag, lockt bei der SF nur hartgesottene Fans von Raumschlachten mit hoher Laserstrahl-Dichte.
Wer es mit Plausibilität nicht allzu genau nimmt, wird den Roman mit großem Vergnügen lesen. Im Grunde handelt es sich “nur” um einen Zeitreise-Plot. Bei genauem Hinsehen muss man deutlich kritisieren, dass die Figuren nicht immer logisch handeln, und dass die Handlung gähnende Logiklöcher aufweist, die der Autor mit teils seitenlangem Pseudo-Technobabbel zu kaschieren versucht. Hinzu kommen eine ganze Reihe teils haarsträubender Rechtschreibfehler. Wer darüber hinwegsehen kann, wird den Roman mit großem Vergnügen lesen.
Unterhaltung:
Anspruch:
Originalität:
Interview: Gabriele Nolte
Zu Gabriele Noltes erfolgreichem, bei Amazon erschienenen Roman Blumen vom Mars haben wir vor kurzem eine Besprechung gepostet. Eine erfolgreiche Selbstverlegerin in der deutschen SF, die ansonsten in der Szene unbekannt ist – Grund genug für ein Interview hier bei dsf.
dsf: Hallo Gabriele, ich freue mich, dass du dich zu einem Interview bereit erklärt hast. Sagst du uns in ein zwei Sätzen kurz etwas zu deiner Vita?
Ich komme aus Bielefeld, der Stadt, die gar nicht existiert, wenn man den Verschwörungstheoretikern glaubt. Wahrscheinlich prädestiniert einen das für das Schreiben über mögliche Varianten unserer Zukunft. Danach ging es erst einmal realistischer weiter: Schule und Studium in Deutschland und Amerika, viele Jahre Management in der Bau-, Immobilien-, und Hotelbranche, mittlerweile selbständig als Unternehmensberater.
dsf: Dann fangen wir mal mit deinem Roman „Blumen vom Mars“ an. Zuerst mal ein paar organisatorische Sachen. Wann ist er denn jetzt erschienen, 2015 oder 2016? Bei amazon steht 2016, es gibt aber eine Rezension aus 2015.
Ach ja, eigentlich wäre es korrekt zu sagen, daß er 2016 erschienen ist. Aber eine erste Version habe ich tatsächlich im Dezember 2015 bei Amazon hochgeladen – gewissermaßen als Weihnachtsgeschenk für mich selber.
dsf: In der SF-Szene gibt es viele hervorragende Cover-Künstler, die ihre Werke zum Teil auch unentgeltlich zur Verfügung stellen. Du scheinst das Cover selber gestaltet zu haben. Nimm es mir nicht übel, aber es scheint mir nicht sonderlich verkaufsfördernd zu sein. Wie kam es zu diesem Cover?
Dafür fällt es aber unter der Menge der sogenannten professionellen Cover auf, die meiner bescheidenen Ansicht nach inzwischen auch alle gleich aussehen. Ich wollte einfach nicht noch einen weiteren im All schwebenden Planeten mit oder ohne Rakete auf dem Cover sehen und nur von Männern gelesen werden. Da bin ich eben eigen. Und deshalb gibt es dieses sehr gewöhnungsbedürftige Cover mit in Stein gemeißelten Pflanzenresten. Hat aber wie gesagt den Vorteil, daß auch weibliche Leser darauf hereinfallen.
dsf: Mich erstaunte die Professionalität des Textes, das ist bei Selfpublishing die Ausnahme. Gab es hier einen Lektor?
Nein. Ganz platt gesagt: Ich finde, entweder man lernt im Laufe seines Lebens so zu schreiben, daß man seine Leser bei der Stange hält, oder man lernt es nicht. Und ich habe in der harten Schule der betrieblichen Aktennotiz gelernt, nach dem Prinzip: „Sie haben dreißig Sekunden, um meine Aufmerksamkeit zu erregen, und wenn Sie das geschafft haben, gebe ich Ihnen nochmal drei Minuten, um mich zu überzeugen. Ansonsten dürfen Sie unverrichteter Dinge hinter Ihren Schreibtisch zurückkriechen.“
dsf: Warum hast du überhaupt den Weg des Selfpublishing gewählt? Es gibt eine Vielzahl von Kleinverlagen, die sich um gute Titel geradezu reißen. Warum bist du nicht bei einem von denen gelandet?
Das ist der Lektorin eines großen deutschen Verlages zu verdanken, die zu meinem ersten SF-Roman „Alphacode“ bemerkte, daß ein Autist und ein Virus in einem Roman ja wohl ein bißchen zuviel sei. Danach habe ich die traditionelle Verlagswelt für mich abgeschrieben. Ich sehe auch nicht ein, weshalb ich Lebensläufe (am besten handgeschrieben), Zusammenfassungen (bitte ohne Cliffhanger!) und zehnseitige Leseproben mit der Schneckenpost an einen Verlag schicken und dann drei Monate auf Antwort warten soll, während ich ein komplettes Buch bei Amazon in einer halben Stunde mit allen Informationen hochgeladen habe, und ab dann täglich und sogar stündlich über die Verkäufe informiert werde. Außerdem kann man sich an der größten Leihbibliothek der Welt beteiligen, und bekommt die gelesenen Seiten seiner Bücher ebenfalls tagaktuell gemeldet (und bezahlt). Ganz abgesehen vom Honorar ist es einfach ein gutes Gefühl, morgens zu sehen, daß über Nacht wieder einmal fünftausend Seiten gelesen wurden. Für mich ist das die beste Therapie gegen Schreibblockaden.
Ich halte also nicht viel von traditionellen Verlagen, egal wie groß oder klein. Für mich sind sie alle angezählt. Es amüsiert mich nur immer, wenn der Hauptpreis bei einem deutschen Ebook-Wettbewerb ein Vertrag bei einem angestaubten Altverlag ist. Irgendwie widersinnig, aber eben auch zum Schreien komisch.
dsf: Verrätst du uns die Höhe der verkauften Auflage?
Einige tausend bis jetzt. Eine Auflage im klassischen Sinn, deren Restanten dann im Supermarkt verramscht werden, gibt es ja im E-publishing und bei Print on Demand nicht.
dsf: Wie viele Anschläge (mit Leerzeichen) hat dein Buch und wie lange hast du für das Verfassen benötigt?
O je, interessiert das jemanden? Also gut: rund 660.000 Zeichen oder 103.000 Wörter. Das tatsächliche Schreiben hat knapp drei Monate gedauert, die Entwicklung der Geschichte allerdings schon ein bißchen länger.
dsf: Woher stammt die Idee zu Blumen vom Mars? Es macht auf mich den Eindruck, dass dir vor allem die Auseinandersetzung der arabischen mit der westlich orientierten Kultur am Herzen liegt. Wie kam es dazu, das in einen SF-Roman umzusetzen?
Die Idee geht zurück auf die Leseerfahrung des inzwischen klassischen Dreibänders über die Mars-Besiedlung von Kim Stanley Robinson. Irgendwas hat mir an diesem Mammutwerk gefehlt, vielleicht die zu wenig lebendigen Figuren, vielleicht die fehlende Gegenüberstellung mit der alten Heimat, vielleicht auch nur eine Prise Humor. Daraus entstand dann meine Idee zu einem ganz kleinen Mars-Buch. Aber wäre nicht nach langer Durststrecke in Sachen Mars das Buch von Andy Weir „The Martian“ erschienen und verfilmt worden – ich hätte es wahrscheinlich nicht gewagt, meine eigenen Marsbücher zu schreiben.
Die Gegenüberstellung von westlicher und islamischer Welt liegt natürlich in diesen Tagen nahe, und der Zusammenprall dieser Kulturen wird uns ja mittlerweile täglich in den Medien vorgeführt. Daß es dabei weit weniger um Kultur und Glauben als um den Aufbau neuer Machtblöcke geht, wird einem spätestens bei einem Blick auf die Landkarte klar. Aber die Auswirkungen davon lassen sich viel schöner und einsichtiger in einem Zukunftsroman beschreiben als in einem Blog oder Zeitungskommentar. Der zweite Teil „Blumen vom Mars – Unter Göttern“ fügt diesem Krieg der Kulturen als vermittelndes Drittes noch die pragmatischen Chinesen hinzu. Aber das klingt wieder viel zu theoretisch. Tatsächlich lasse ich die unterschiedlichen Menschen einfach aufeinanderprallen und warte ab, was dabei herauskommt. Die Guten dürfen sich am Ende ein Glas marsianischen Apfelschnaps genehmigen.
dsf: Blumen vom Mars scheint nicht deine erste Publikation zu sein, wie bist du zum Schreiben gekommen? Gibst du uns einen kurzen Überblick zu deinem Schaffen?
Mein erster Versuch war, wie schon gesagt, „Alphacode“, die Geschichte von einem bei der Heimatschutzbehörde in Detroit aktenwälzenden Autisten, der unversehens in eine weltumspannende Verschwörung gerät, die ihn letztlich nach Deutschland führt. Das ist dann ein richtiger Wälzer von mehr als 800 Seiten geworden, weil die Geschichte sich gewissermaßen einmal um die eigene Achse dreht.
Dann kamen zwei Bände einer Kinderbuch-Trilogie, die ich zuerst auf Englisch geschrieben und dann ins Deutsche übersetzt habe. „Das magische Handy“ („The Wishing Phone“) und „Die blaue Katze“ („The Blue Cat“). Der dritte Band steht noch aus. Den werde ich irgendwann in dunklen Winternächten mal schreiben. Die Bücher spielen in Amerika, wo sich vier Kinder ganz unterschiedlicher Herkunft zusammenraufen müssen und auf einer zweiten Ebene in einem Feenreich, wo sich ein Haufen von Dschinns und anderen magischen Kreaturen ebenfalls zusammenraufen müssen.
Dann kamen die Marsbücher. Und als kleine Fingerübung ist dieses Jahr noch „Jihad Jackpot“ erschienen, ein überaus ernsthaftes Werk, das sich mit der Frage auseinandersetzt, was passiert, wenn ein Selbstmordattentäter auf dem Weg zu seinem Einsatz erfährt, daß er einen Acht-Millionen-Lottojackpot geknackt hat. Das geht auf eine Wette mit Freunden zurück, die nicht glaubten, daß man so etwas Beklopptes zu einem Buch verwurschteln könnte.
dsf: Ich habe entdeckt, dass es auch englischsprachige Ausgaben deiner Werke gibt. Wer hat da übersetzt? Wie ist die Aufnahme deiner Titel im internationalen Markt?
Sorry, wie schon gesagt, genau umgekehrt. Ich habe sie zuerst auf Englisch geschrieben und dann übersetzt. Früher habe ich fast nur in englischer Sprache geschrieben, mittlerweile gewöhne ich mich langsam wieder an die deutsche Sprache. Seltsamerweise verkauft sich das recht gut in Japan. Aber ganz allgemein ist der englischsprachige Ebook-Markt bei Amazon so riesig, daß man ohne Werbemaßnahmen untergeht. Und ich bin einfach ein Werbe-Muffel.
dsf: Was mich ein wenig in deinem Roman Blumen vom Mars gestört hat, waren die Fähigkeiten der (unfreiwilligen) Kolonisten. Da werden von Strafgefangenen zuerst sinnlose Tunnel gebohrt und später von den Überlebenden mit Hilfe der Tunnelbohrmaschine und 3-D Druckern eine Maglev errichtet. Das schien mir ein wenig überzogen. Warum dieser „Gigantismus“?
Die sinnlosen Tunnel sind das Symbol für die Arbeiten eines vergessenen Armee-Vorpostens. Und gerechterweise geht der Armee-Vorposten unter. Meiner Erfahrung nach werden Fähigkeiten durchaus überbewertet. Was letztlich zählt, ist nur der Wille. Und daraus entsteht die erste Maglev-Bahn, als erste privatwirtschaftliche Initiative, sozusagen. Tausend Kilometer Strecke, einmal Flensburg – München, nicht viel im Vergleich zur Größe des Planeten. Ein bißchen phantastisch, sicherlich, aber was zum Teufel soll man denn auf dem Mars anderes tun als an der Erschließung zu arbeiten? Ich glaube, man muss sich dazu immer bewusst machen, wieviel unserer Lebenszeit wir hier auf der Erde damit zubringen, die Errungenschaften der längst erfolgten Erschließung unseres Planeten zu genießen. Eigentlich furchtbar, sich vorzustellen, wieviel wir erreichen könnten, wenn wir mal zwanzig Jahre lang richtig gefordert und nicht ständig abgelenkt würden.
dsf: Am Ende wurde es dann etwas esoterisch. Marfa verschwindet und taucht als eine Art Geistwesen wieder auf. Hm, das hat mich als rational denkenden Menschen vor ein Problem gestellt. Warum diese Esoterik, wo doch bisher alles sehr rational ablief?
Kein Geistwesen, sondern die nächste Stufe der Evolution, einfach ein Umbau auf Zellebene. Außerdem geht es schließlich auch um Religion, und da müssen wir uns notgedrungen ab und an von unserer so geschätzten Rationalität verabschieden, die ja auch nur der Verschiebebahnhof unseres derzeitigen Wissenstandes ist. Wenn ich mir den Hype um Dunkle Materie und Dunkle Energie ansehe, dann frage ich mich, wie sich diese verzweifelten Erklärungsversuche von noch nicht Erklärbarem in fünfzig Jahren anhören werden.
dsf: Verrätst du uns etwas über die private Gabriele? Was hat sie für Interessen? Gibt es Lieblingslektüre? Gibt es Vorbilder in der SF?
Wenn ich kann und das Licht gerade mal wieder gut ist, pflege ich mein Lieblingshobby Fotografie, ansonsten bin ich immer noch sehr eingespannt in die Zahlenwelt meiner Arbeit.
Vorbilder? Wahrscheinlich wieder lauter Namen, die in der deutschen Science Fiction nahezu unbekannt sind, wie z.B. Sheri Tepper und „The Gate to Women’s Country“, einer der brutalsten SF-Romane, die je geschrieben wurden. Und natürlich Terry Pratchett, was Sprachwitz und Killer-Dialoge angeht, auch wenn die deutsche Sprache da so viel sperriger ist als die englische.
dsf: Wie bist du zur SF gekommen? Warum schreibst du SF und nicht Mainstream? Ich meine, wir kennen alle das Gefühl als Nerd abgetan zu werden, wenn wir erwähnen, dass wir uns für SF interessieren und dann auch noch selber schreiben? Was sagt dein Umfeld dazu?
Science Fiction hat einfach im angelsächsischen Raum einen anderen Stellenwert und ein viel weiteres Spektrum. Man hat da dieses Nerd-Problem eigentlich kaum oder nur bei ganz extrem technischen Büchern, weil es diese strikte Trennung zum Mainstream gar nicht gibt. Das ist etwa so wie die im Deutschen immer noch vorherrschende Unterscheidung zwischen U und E, so als ob etwas Unterhaltendes nicht einen ernsten Hintergrund haben könnte. Oder als ob man nicht witzig über den Weltuntergang schreiben könnte. In Deutschland ist SF offensichtlich immer noch sehr eingeschränkt auf einen vorwiegend technischen, vorwiegend männlichen Bereich, die alte Perry Rhodan-Clique, wenn ich das mal so salopp in den Raum werfen darf.
Wenn ich dir jetzt sagen würde, daß eins der größten Werke der Science Fiction im letzten Jahrhundert Daniel Keyes „Charly“ („Flowers for Algernon“) ist, dann wärst du vermutlich ziemlich überrascht. Da kommt kein einziges Raumschiff vor. Aber ich kenne niemanden, der es gelesen hat und nicht schwer ins Grübeln gekommen ist. Und obwohl das Buch bald fünfzig Jahre alt ist, hat es nichts an Aktualität verloren, weil das, was wir über die Funktionsweise unseres Gehirns wissen, einen auch fünfzig Jahre später nicht wirklich vom Hocker reißt.
Die angelsächsische Schreibwelt ist da einfach inklusiver. Science Fiction beginnt ja mit der Frage: „Was wäre, wenn dies oder jenes technisch möglich wäre?“ Und diese Frage kann sich auf Entwicklungen in der Technik, aber auch beim Menschen selber oder in ganzen Gesellschaften beziehen. Insofern ist das Spektrum dieser Literaturgattung im englischsprachigen Raum viel größer und die Abgrenzung zu anderen Kategorien viel schwieriger. Was natürlich auch den unschätzbaren Vorteil hat, das es sehr viel mehr weibliche Leser anzieht, und Frauen machen nun einmal den größten Teil der Leserschaft aus.
dsf: Mit dem Fandom bist du nach eigener Aussage noch nie in Berührung gekommen, obwohl das bereits seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sehr gut in Deutschland organisiert ist. Es existieren viele Clubs und sonstige Zusammenschlüsse, stellvertretend sei hier der SFCD (Science Fiction Club Deutschland e. V.) erwähnt. Wie erklärst du dir, dass du das nicht wahrgenommen hast? Fehlt da die Durchdringung der Szene in die Öffentlichkeit?
Wie schon gesagt, ich komme da eigentlich aus einer ganz anderen Richtung. Und mir hat immer die Zeit gefehlt, um intensiv in Clubs mitzuarbeiten.
dsf: Gibt es neue Projekte, über die du hier etwas verraten möchtest?
Ein neuer SF-Thriller. Arbeitstitel: „Die Wiederkehr des Khans“. Stichwörter: Die Suche nach dem Grab von Genghis Khan, Umweltzerstörung beim Abbau seltener Erden in der Mongolei, Meteoriten, Quasi-Kristalle mit bisher unbekannten Eigenschaften. Wie ich das alles zu einem sinnvollen und hoffentlich spannenden Ganzen übereinander bringen soll, steht allerdings noch in den Sternen.
dsf: Vielen Dank für das Interview.
Der Roman “Blumen vom Mars” ist als Taschenbuch sowie digital für Kindle (inkl. Kindle unlimited) exklusiv bei Amazon erschienen.
Game-Test: “Stellaris”
Wenn ein deutscher Publisher (Koch Media) ein SciFi-Game produziert und herausbringt, ist uns das natürlich einen genaueren Blick wert. Auch wenn das Spiel von Paradox Interactive in Schweden programmiert wurde. Dieses Studio ist für anspruchsvolle Strategiespiele bekannt: Europa Universalis und Crusader Kings seien als Beispiele genannt. Wenig erstaunlich, dass uns ein paar Elemente aus diesen Spielen bekannt vorkommen. Aber greifen wir nicht vor. Worum geht es in Stellaris?
“Stellaris” ist ein 4X-Spiel. Die vier x des Genres stehen für explore, expand, exploit, exterminate. Es geht also darum, die Galaxis zu erforschen, die eigene Einflusszone auszudehnen, die eigene Fraktion durch Forschung weiterzuentwickeln und am Ende die anderen zu dominieren. Um zu gewinnen, müssen üblicherweise gewisse Bedingungen erreicht werden – und damit sind wir bereits bei einer Schwachstelle von “Stellaris”, denn in der vorliegenden Version gibt es nur zwei solche Siegbedingungen. Anders als andere Vertreter des Genres (z.B. “Galactic Civilizations”, “Endless Space”) läuft “Stellaris” nicht rundenbasiert, sondern in Echtzeit ab. Man kann das Spiel aber jederzeit pausieren, um in Ruhe nachzudenken, schwierige Entscheidungen zu treffen oder einen Tee zu kochen. Auch beschleunigen lässt sich der Ablauf. Die Galaxis ist mehr oder weniger auf zwei Dimensionen komprimiert, aber das sehen wir dem Spiel nach, denn in dreidimensionalen Karten verliert man schnell die Orientierung.
Wer 4X-Games kennt, findet sich in der aufgeräumten Bedienoberfläche schnell zurecht. Wir können Forscher, Admiräle oder Gouverneure einsetzen (die übrigens altern, sterben oder abgewählt werden können), Raumschiffe bauen oder weiterentwickeln. Forschungsschiffe senden wir in Nachbarsysteme, Konstruktionsschiffe bauen Stationen, die Ressourcen abbauen, Kolonieschiffe verbreiten unser Volk auf lebensfreundliche Planeten, die gegebenenfalls zunächst terrageformt werden müssen. Auf Planeten entstehen Bauwerke, die wiederum Ressourcen erzeugen. Bisweilen finden wir Spuren antiker Aliens oder begegnen fremden raumfahrenden Völkern und nehmen dipolomatische Beziehungen auf – oder schicken eine Flotte Kampfschiffe rüber. Raumkämpfe mit ihrem fröhlichen Laser- oder Kanonenfeuer dürfen wir beobachten, selbst zum Steuer oder Feuerknopf greifen wir aber nicht. Manchmal müssen auch Weltraumpiraten ausgeschaltet werden.
Bemerkenswert ist die Anzahl verschiedener Systeme und Alien-Völker, denen wir begegnen. So finden wir nicht nur eine Handvoll, sondern zwanzig oder dreißig andere Völker unterschiedlicher Ausprägung vor – manche freilich nur in Form von Trümmern, weil sie von ihren expansiven Nachbarn längst überrollt worden sind. Die Fremdartigkeit der Aliens zeigt sich nicht nur im Aussehen des jeweiligen diplomatischen Bevollmächtigten und in politischen Attributen, sondern auch an den Raumschiffen. So besuchen auch mal geheimnisvolle quallenähnliche Gebilde ein eigenes Sonnensystem, nur um nach dem Wiederaufladen des Warpantriebs wieder zu entschwinden.
Ist man anfangs hauptsächlich damit beschäftigt, die Nachbarsysteme auszukundschaften, so ist es damit irgendwann vorbei, nämlich wenn man die Grenzen fremder Gebiete erreicht. Dann hilft nur noch ein bewaffneter Konflikt, um sich auszudehnen, und der gestaltet sich kompliziert. Im Geflecht diplomatischer Verknüpfungen fühlt man sich bisweilen etwas ohnmächtig. In dieser Hinsicht erinnert das Spiel stark an die ebenfalls sehr politischen historischen Spiele von Paradox. Denen entstammt übrigens anscheinend auch der Bildgenerator, der Profilfotos aller Figuren im Spiel durch geringfügige Abwandlung von Haut und Haaren erzeugt – die menschlichen Frauen schielen beispielsweise alle gleich entnervt in die Kamera.
Während Stabilität, Nutzeroberfläche, Grafik und Soundtrack durchaus überzeugen können, gibt es Abzüge in der B-Note in der Kategorie sense of wonder. Entdeckungen arkaner Artefakte beschränken sich auf einen Dialog mit briefmarkengroßer Illustration, Text und Button. Auch die fremdartigsten Aliens oder schrägsten Ereignisse (Projektile, die vor Jahrmillionen aus einer anderen Galaxis abgefeuert wurden und um ein Haar ausgerechnet unser Forschungsraumschiff zu Klump schießen!) bleiben farblos. Viele Illustrationen sind durchaus ansprechend gemalt, wo animierte 3D-Modelle vielleicht zeitgemäßer wären und mehr Möglichkeiten bieten würden. Trotzdem können wir viel Zeit mit dem Spiel verbringen: Zig spielbare Zivilisationen plus die Möglichkeit, eigene zu gestalten, sowie eine offene Schnittstelle zum Steam Workshop – das bedeutet immer neue Herausforderungen. Unser letzter kleiner Kritikpunkt ist die deutsche Übersetzung: Die Stimme des Beraters ist und bleibt englisch, und einige Texte wurden nicht optimal übertragen.
Der Multiplayer-Modus, bei dem jeder Teilnehmer eine Fraktion übernimmt, haben wir nicht getestet.
Unter dem Strich ist “Stellaris” empfehlenswert für Fans von 4X-Games und solche, die es werden wollen. Für Casual Gamer sind 4X-Spiele generell zu komplex und umfangreich. Fans von Weltraum-SciFi kommen auf ihre Kosten, ohne aber vom Hocker gerissen zu werden.
“Stellaris” ist im Handel erhältlich auf DVD und online (Steam) und läuft auf Windows, Mac OS X und Linux bei moderaten Hardwareanforderungen. (Getestet haben wir unter Windows 10 und Linux.)
Interview mit Karla Schmidt
Karla Schmidt ist eine Größe in der deutschen SF-Szene. Sie schreibt phantastische Bücher – und das auf hohem literarischem Niveau, was in der SF eher ungewöhnlich ist. Daneben verfasst sie Psychothriller und historische Romane, lektoriert und coacht Autoren. Im Mai ist ihr erster D9E-Roman erschienen. Grund genug, einmal nachzuhaken!