Interview mit Andreas Schütz

Andreas Schütz ist der Pressesprecher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Ich habe ihm einige Fragen zu Weltraumforschung und SF gestellt …

Alle reden von der ISS – wir natürlich auch. Vor kurzem sollte wieder ein Space Shuttle (Endeavour) mit Roberto Vittori an Bord zur Internationalen Raumstation aufbrechen. Sagen Sie mal, wie viel Prozent Deutschland steckt eigentlich in der ISS? Oder sollte ich lieber fragen wie viel Prozent Europa drin steckt?

Deutschland ist über die europäische Raumfahrtagentur ESA an der ISS beteiligt. Von den gesamten Kosten der ISS trägt Europa rund vier Prozent und von diesen zahlt Deutschland etwas mehr als 20 Prozent. Nur für europäische Forschungslabor Columbus belaufen sich die Kosten, ohne Start, auf 880 Mio. EUR, von denen 51Prozent von Deutschland, 23Prozent von Italien, 18 Prozent von Frankreich und 8 Prozent von den USA und Kanada gemeinsam bereitgestellt werden.

Was sind die größten Argumente für die Raumfahrt? Ist es die wirtschaftliche Nutzung von Planeten und Monden? Oder doch das „große Experiment“, also das Überleben der Menschheit im All?

Es ist die Neugier des Menschen, die ihn immer getrieben hat, Neues zu entdecken, Grenzen zu überschreiten, zu neuen Horizonten aufzubrechen. Dieses Streben hat den Menschen auch ins Weltall gebracht. Als dieser Weg gegangen war, entstand die Frage, was machen wir da. Nach den Euphorien der 1950er und 1960er Jahre um die Fabriken und Hotels im All ist heute All-Tag eingekehrt. Ohne die Raumfahrt, ohne Navigation, ohne Erdbeobachtung und ohne Kommunikation ist heute das Funktionieren unserer modernen Gesellschaft nicht mehr denkbar. Somit hat die Raumfahrt auch die Kultur des Menschen beeinflusst, hat Veränderungen herbei geführt. Für die bemannte Raumfahrt ist das ebenso der Fall. Jeder Start von Menschen ins All löst eine Faszination aus. Es wird sicher noch Jahrzehnte dauern, bis es einem noch größeren Teil von Menschen möglich sein wird, in den Erdorbit zu fliegen, aber der Tag wird kommen. Denn wer hätte in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts gedacht, dass es einmal ein Flugzeug wie den A 380 geben wird. Die Raumfahrt wird den gleichen Weg gehen.

Was hat „Mars Express“ bis heute an Daten geliefert und inwiefern sind sie wichtig für die hiesigen Konzerne und Regierungen (die Stereokamera HRSC wurde ja im DLR-Institut für Planetenforschung entwickelt)? Sie müssen hier natürlich nicht alle Geheimnisse verraten!

Der Mars ist heute zu fast 80 Prozent dreidimensional, farbig und in hoher Auflösung erfasst und kartiert. Das ist mehr als uns vom Mond bekannt ist und diese Art der Erfassung der Erde hat gerade erst begonnen. Wichtig sind diese Daten für die Wissenschaft. Sie tragen zum besseren Verständnis des Entstehens nicht nur unseres Sonnensystems bei, sondern auch unserer Erde.

Die Science Fiction beschäftigt sich ja literarisch mit den technischen Möglichkeiten der Zukunft. Ein zentrales Thema darin: eine Raumstation auf dem Mond oder sogar eine Mondstadt zu errichten. Wie realistisch ist eine dauerhafte Besiedlung des Mondes in den nächsten hundert Jahren?

Nach dem sich der Mensch mit der Internationalen Raumstation fest im Erdorbit etabliert hat, kann die Rückkehr zum Mond eine nächste Aufgabe sein. In den nächsten rund 30 Jahren wird der Mensch auf den Mond zurückkehren und dort „sein Lager aufschlagen“.

Und wie wird dieses Lager aller Voraussicht nach aussehen? Werden wir eine richtige kleine Stadt mit Bergwerken, Giftmülldepots etc. errichten oder wird es dann doch eher ein Basislager zur wissenschaftlichen Erkundung des Mondes sein?

„Lager“ meine ich hier im übertragenen Sinne. Als erstes kommt es darauf an, den Mond wissenschaftlich zu erkunden. Die ersten Schritte werden den Mond umkreisende Sonden und Roboter auf dessen Oberfläche sein. Dann folgt der Mensch. Natürlich wird dessen erste „Unterkunft“ ein Basislager sein. Alles was dann folgt wird sich aus den Notwendigkeiten und den Möglichkeiten ergeben. 

Lesen Sie eigentlich Science Fiction? Wenn ja, welche Autoren? Und ist es bei Ihrem Beruf überhaupt möglich, sich auch noch privat mit Weltraumthemen zu befassen?

Warum nicht? Ich finde es spannend, mich mit Gedanken auseinander zu setzen die mehr oder weniger weit in der Zukunft liegen. Angefangen habe ich mit Eberhard del Antonio, einem heute kaum noch bekannten deutschen Autoren. Zu meinen Lieblingsbüchern heute gehören „Menschen wie Götter“ von Sergej Snegow, aber auch die „Haarteppichknüpfer“ und „Raumststation“ sowie die Erzählungen von Andreas Eschbach. Nicht zu vergessen Frank Schätzing, den ich beim Entstehen von „Limit“ persönlich kennen lernen durfte.

„Die Haarteppichknüpfer“ gilt ja in der Szene als eines der besten Werke deutschsprachiger SF. Was macht Ihrer Meinung nach den Reiz dieses Buches aus?

Für mich sind „Die Haarteppichknüpfer“ eine Auseinandersetzung mit den Beziehungen die Kulturen zu einander pflegen. Wie kommen diese miteinander aus, wenn sie sich in verschiedenen technischen und kulturellen Entwicklungsstadien befinden? Eine Frage die sich auch heute noch auf der Erde aktuell stellt. Vielleicht ist es aber auch eine Frage, mit der sich die Menschheit irgendwann einmal auseinandersetzen muss. Wenn es zu Kontakten kommt, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.

Ich persönlich glaube ja dass eine Besiedlung des Mars an den heftigen Winden und Wetterverhältnissen sowie an der Strahlung scheitern wird. Aber man wird ja häufig eines Besseren belehrt. Erforscht das DLR eigentlich auch, ob eine „Eroberung“ des Mars sinnvoll ist und wenn ja, wie es technisch machbar wäre?

Beim DLR beschäftigt man sich gegenwärtig mit der unbemannten Erforschung des Mars, mit neuen, größeren Landern und weiterführenden Experimenten. Auch werden schon die psychologischen Aspekte eines solch langen Fluges untersucht, gemeinsam mit den russischen Kollegen beim Experiment MARS500 in Moskau.

„Venus Express“ ist eine weitere spannende Mission an der das DLR beteiligt ist. Mal ganz ehrlich: Beim Mars kann ich eventuelle wirtschaftliche Komponenten ja noch nachvollziehen, aber ist gerade die Venus denn geeignet, von uns genutzt zu werden?

Wirtschaftliche Komponenten spielen bei den Forschungsarbeiten des DLR, speziell in der Planetenforschung, keine Rolle. Uns geht es um wissenschaftliche Erkenntnisse in der Grundlagenforschung. So ist erst in den letzten Jahren ist bekannt geworden, dass es auf der Venus einen Treibhauseffekt gab. Diesen zu untersuchen, kann uns helfen, ihn auf der Erde besser zu verstehen und ihn auch zu vermeiden.

Zum Schluss noch mal zur ISS: Glauben Sie, dass man in Zukunft auch Weltraumtouristen mit weniger Geld die Möglichkeit eines Kurzbesuches geben wird?

Ja, das glaube ich. Wenn die dafür notwendigen Transportmöglichkeiten vorhanden sind, dann wird es mehr Menschen möglich sein, sich die Erde von außen zu anzuschauen. Und auch das wird dazu führen, besser zu verstehen, was es heißt, auf der Erde zu leben und diese zu bewahren. Ein Wunsch den alle Astronauten äußern, wenn sie von ihren Missionen zurück kehren. 

Vielen Dank für Ihre Antworten!