Rezension: “Land unter” von Dieter Rieken

Erst Klimawandel samt Hitze und Leugnung durch die amtierende Regierung, ansteigender Meeresspiegel – und dann auch noch ein Sprengstoffanschlag auf die norddeutschen Deiche mit verheerenden Folgen: Die Figuren in Dieter Riekens Debutroman leben keinesfalls in einer paradiesischen Zukunft. Sondern in Hausbooten oder oberen Geschossen von Hochhäusern, die auf Norderney (bzw. darüber) so gerade noch aus dem Wasser ragen. Was wie eine Dystopie klingt, wirkt beim Lesen überraschend heimelig. Dabei liegt der Anschlag von 2055 während der Handlung erst fünf Jahre zurück. Man hat sich anscheinend mit der Situation arrangiert.

Rieken nimmt sich viel Zeit, um zahlreiche Figuren einzuführen – alle mit Eigenheiten, Ecken und Kanten. Sechs Hauptfiguren gibt es – die alle ausführlich zu charakterisieren, nimmt einen großen Teil der knapp 250 Buchseiten ein. Nah an den Figuren zu sein, macht diese lebendig, aber dafür mangelt es an Fortgang der Geschichte, an Konflikten, Drama, Spannung.

Ehrlich gesagt: Es ist ein Einerseits-Andererseits-Buch.

Denn einerseits wirken die Figuren durch die ausführliche Einführung authentisch, andererseits kommt dadurch die Handlung nicht so recht in Schwung. Da die Hintergründe des Anschlags frühzeitig erzählt werden, kommt keine »Whodunnit«-Spannung auf.

Einerseits werden viele Themen angesprochen, so auch Fremdenfeindlichkeit, andererseits bleibt es dann oft bei einer Erwähnung in einer Art Episode. Weder sind die Figuren in unmittelbarer Gefahr noch begeben sie sich aktiv in ein Abenteuer – sie schlittern im Grunde zufällig in die Sache rein, und das auch noch durch einen übernatürlichen Effekt im “passenden” Moment.

Die Verwicklungen und das Beziehungsgeflecht, das schließlich in der zweiten Hälfte des Buchs nach und nach enthüllt wird, ist einerseits wirklich erstaunlich, schlau konstruiert und vermag zu überraschen – andererseits bewegt sich die Geschichte dabei oft am Rande der Glaubwürdigkeit oder, je nach individueller Leseerfahrung, jenseits davon.

Insgesamt ist der Roman dank seiner Kürze und Nähe zu Land und Figuren durchaus lesenswert, aber die Geschichte an sich wird sicher nicht jeden Leser gleichermaßen überzeugen oder fesseln.

Unterhaltung:
Anspruch:
Ideenreichtum: