Meinung von Uwe Post
Ihr kennt das sicher: Ein bis dahin unbekannter Autor veröffentlicht ein Buch und bei Amazon finden sich eine Handvoll *****-Rezensionen dazu und sonst nichts. Schaut ihr in die Leseprobe, springen euch Grammatik-Fehler, Plotlöcher oder der x-te Abklatsch einer Alien-Invasion an.
Ergo sind die Rezensionen offensichtlich manipuliert.
Manipulation ist ein böses Wort. Wegen manipulierter Wahlen sollen schon Bürgerkriege ausgebrochen sein. Sind solche Freundschaftsdienste wie “schreib ne Rezension zu meinem Buch, ich geb dir auch ein Bier aus” nicht ein Kavaliersdelikt?
Schön wär’s, aber das ist nur der Anfang.
Das Zeitalter der Digital-Veröffentlichungen und Books on Demand hat es unzähligen Menschen ermöglicht, Schriftsteller zu werden. Jetzt folgt der nächste Schritt: Man will ein erfolgreicher Schriftsteller werden. Dazu muss sich das Werk verkaufen, und das geht nur über Werbung. Und was ist die beste Werbung? Fünf Sterne bei Amazon.
Irrtum.
Inzwischen gibt es selbst *****-Werke von Noname-Autoren wie Sand am Meer. Deshalb folgt der nächste Schritt: Nichts bringt mehr Aufmerksamkeit als ein Literaturpreis!
Und Publikumspreise sind prinzipiell manipulierbar. Man muss nur genug Freunde, Verwandte, Zweitaccounts in die Waagschale werfen, und schon landet man in den Abstimmungen weit oben.
Bisher konnte man bei Preisen wie dem DPP lamentieren, dass üblicherweise nicht das beste Werk, sondern der beliebteste Autor gewinnt, obwohl die Kategorien eigentlich “bester Roman” etc. heißen.
Eine neue Qualität aber liegt vor, wenn nicht einmal der beliebteste Autor gewinnt, sondern der, der die meisten Freunde (zumeist in sozialen Netzwerken) dazu gebracht hat, sein Kreuzchen bei ihm zu machen.
Ohne Witz: Mir ist zu Ohren gekommen, dass es sowohl auf Facebook wie auch in einem großen Schreibforum die Idee gibt, Gruppen oder Threads einzurichten, die nur dafür da sind, Abstimmungsaufforderungen möglichst effizient zu verarbeiten.
So sehr sich ein Literaturpreis auch bemüht – er kann niemals solche “Gefälligkeitsstimmen” ausfiltern.
Lange kann es auch nicht mehr dauern, bis jemand der grandiosen Idee der Werbebranche folgt, notdürftig als Artikel getarnte Reklame in Blogs zu schummeln oder Dienstleister in Billiglohnländern zu beauftragen. Jeder Forumsbetreiber kennt ja die Fake-Identitäten, die im Interessen-Feld ihres Profils Internetadressen von Online-Shops stehen haben, die Potenzmittel, Nobeluhren oder -handtaschen billig verkaufen (bzw. Kopien davon). Genauso könnten solche Fakes für ein bestimmtes Werk bei einem Poublikumspreis abstimmen.
Das Resultat ist, dass die Bedeutung eines Publikumspreises auf die Bedeutung einer Fünf-Sterne-Rezension bei Amazon zurückfällt. Also auf Null.
Was ist der Sinn eines Bewertungssystems (sei es eine Rezension oder ein Publikumspreis), wenn die Qualität des Produkts rein gar nichts mit der Wertung zu tun hat?
Wie gut, dass die deutsche SF mit dem DSFP einen Literaturpreis hat, deren Jury durch kontroverse Diskussionen auffällt – die sich mit dem Werk beschäftigen. Das zeigt, um was es wirklich gehen sollte. Mal sehen, ob andere Preise sich Gedanken über die Entwicklung machen – je abhängiger von der Masse, umso mehr – und im eigenen Interesse ihre Vergabemethode einer selbstkritischen Prüfung unterziehen. Optimalerweise, bevor es zu spät ist.