Gerade eben habe ich Christian Weis’ Artikel über Kraftwerk gelesen – und natürlich gebe ich ihm Recht. Schon immer hatte (elektronische) Musik den “touch of future”. Technischer Fortschritt wurde vorausgeahnt und visionär vertont. Erstaunlich oft kamen dabei Player aus Deutschland ins Spiel …
Neben Kraftwerk ist das bekannteste Beispiel wohl Nenas “99 Luftballons”. Hierbei geht es um einen apokalyptischen, imaginären Krieg, der anscheinend aufgrund von “Überzivilisierung” ausgelöst wird. Das Gegenstück hierzu – die menschliche Liebe – siegt am Ende über den jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt … Im Gegensatz zu Kraftwerk, wo Technologie im Prinzip als etwas Positives dargestellt wird, das die Menschheit weiterbringt (mit gewissen ironischen Untertönen), stellt Nena diese als eher bedrohlich und gegenpolig zum relativen Menschsein dar.
Zukunftskritisch und radikal sind auch manche Texte aus der linken Szene. So zum Beispiel Slimes Gegen die Zeit (den ganzen Text gibt es hier):
“Nach dem großen Feuersturm
Regierten die Maschinen
Wenig Menschen, die übrig waren
Lebten in der Unterwelt
Erst als die Erde schwarz und leer
Hörten sie auf, dem Stahl zu dienen
Nachdem die Welt in Flammen ging
Und verbrannt war alles Geld …”
Grundsätzlich positiv gehen dagegen die Anhänger der Technobewegung ans Thema heran. Nicht umsonst heißt eine der wichtigsten Veranstaltungen Time Warp. Da hier schon die Musik an sich nach Zukunft klingt, brauchen sie weniger semantische Ergänzungen wie z. B. profane Texte. Der Frankfurter DJ Johannes Heil entwickelte so schon vor über zehn Jahren eine Möglichkeit, elektronisch produzierte Musik nach Sprache bzw. Lauten klingen zu lassen, je nachdem wie man Höhen und Tiefen, Bässe und Drums miteinander kombiniert. Das erinnert fast schon an das antike Prinzip der Einheit von Sprache und Musik … Und natürlich darf man in diesem Zusammenhang auch nicht Sven Väth vergessen, einer der Mitbegründer der internationalen Technoszene (nein, ich habe hier jetzt nicht den xten Link zu Electrica Salsa eingefügt, sondern einen thematisch passenden Song aus “The Harlequin, the Robot and the Ballet Dancer”).
Ein wichtiger Vorreiter/Großvater auf dem Gebiet der elektronischen Musik war (wie kann es anders sein) wiederum ein Deutscher: Karlheinz Stockhausen. Er experimentierte schon seit 1952(!) mit den Möglichkeiten, elektronische Klänge mit Livemusik zu kombinieren. So entstand z. B. sein Werk Kontakte, wo “die kompositorischen Basiselemente nicht mehr Sinustöne sind, sondern der Instrumentalmusik entnommene Klangkonzepte … die allerdings rein elektronisch realisiert werden.” (Wikipedia)
Wer sich weiter mit elektronischer Musik aus Deutschland befassen möchte, dem seien folgende Websites empfohlen: Experimentalstudio des SWR, das Karlsruher ZKM und das Juicy Beats Festival im Dortmunder Westfalenpark.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass zwei Studenten von Stockhausen später in Köln die weltbekannte Band Can gründeten, die für ihre psychedelischen und phantastischen Themenalben bekannt wurde (z. B. Tago Mago, 1971 oder Future Days, 1973). Wer das Originalstudio besichtigen möchte, kann dies übrigens im münsterländischen Gronau tun (rock’n pop museum) …
Ein weiterer Ansatz zum Verständnis von Musik und ihrer Wirkung auf unsere Zivilisation und auf uns Menschen im besonderen stammt aus der Hirnforschung. Hier werden Wechselwirkungen von Körper und Musik untersucht:
“Interessant ist in diesem Zusammenhang die moderne elektronische Musik … nicht nur die Ausführenden, auch die Zuhörer geraten augenblicklich unter den Einfluss, welchen ein spezieller Rhythmus auf unser Gehirn ausübt, und diese Resonanz des internen Taktgebers moduliert die Gefühle der Anwesenden in einer ganz spezifischen Weise. Dazu wippen viele mit den Füßen oder nehmen den Rhythmus in anderen Bewegungen ihres Körpers auf. Es gibt keine traurige Musik in flottem Tempo und keine jauchzende Freude in sehr langsamer Musik, aber das Gegenteil hört man oft, weil die musikalische Manipulation der Rhythmen eine genau bestimmbare, physiologische Wirkung auf die Gefühle hat.” (Quelle: Wikibooks – “Gehirn und Sprache: Gehirn und Musik”)
Wiederum kritisch beschäftigen sich Fee mit dem Thema SF und Zukunft. Sie thematisieren Überwachung, Kontrolle und Manipulation in ihrem Song Schweine im Weltraum:
Ja, gibt es denn überhaupt noch positive deutsche Texte über die Zukunft? Sind wir Deutschen am Ende wieder mal die ewigen Nörgler, die immer an der eigenen Vergangenheit zu knabbern haben? Es scheint fast so, als gäbe es allein in der Technobewegung noch echte Zukunftsgläubigkeit …
Auf der Suche nach einem passenden Lied aus einem anderen musikalischen Genre bin ich dann wenigstens noch auf Thomas Koppes Zukunft gestoßen, wo neben Kritik wenigstens auch Möglichkeiten und Chancen erwähnt werden … Ich find’s gelungen, denn es zieht seine Zuhörer mit in die Verantwortung:
In diesem Sinne wollen wir uns verabschieden und wünschen unseren Lesern eine mitbestimmte, volldemokratische, weltraumerschließende Zukunft voller Abenteuerlust und Risikobewusstsein!