SF-Jahresrückblick von Machern und Fans der Szene

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, Zeit für einen kurzen Schulterblick nach hinten. Wir haben einige Persönlichkeiten der deutschen SF-Szene gefragt: “Was waren eure Highlights? Was wünscht ihr euch für die nächste ‘Saison’?”

Hier sind ihre Antworten:

Michael Haitel (Verleger): “… ich will keine Eigenwerbung machen, aber schon aufgrund des Arbeitsaufwands war für mich der Höhepunkt die erfolgreiche Veröffentlichung von AndroSF 20, vulgo „Die Stille nach dem Ton …“, die Anthologie mit den DSFP-Gewinner-Kurzgeschichten 1985 bis 2012. Erfolgreich, weil Ralf Boldts Rechtebeschaffungsarbeit wunderbar lief, erfolgreich, weil das Buch handwerklich wundervoll geworden ist, erfolgreich auch, weil die Verkäufe sich ohne Frage sehen lassen können (es ist mein bisher erfolgreichster SF-Titel) … Mein Con war der BuchmesseCon. Mein Flop war „Men in Black III“. Und für 2013 wünsche ich mir, dass ich gesund bleibe … Ich habe dieses Jahr nicht viel gelesen, aber darunter war ein Roman, der mich schwer beeingedrückte: Alex Adams’ “White Horse“. Unbedingt empfehlenswert.”

René Moreau (Herausgeber): “Wie Michael (Haitel) schon richtig formuliert: als Macher ist man so voll eingespannt in die Realisierung eigener Projekte, dass man nicht wirklich alles in der Szene “um einen her” richtig wahrnimmt. Wenngleich ich selbst ein recht zwiespältiges Verhältnis zu Preisen im Allgemeinen habe, was also auch ausdrücklich den KLP einschließt, (meine beiden Mitstreiter werden es Dir sicherlich bestätigen können :), so war zumindest – im Kurzgeschichtenbereich – für EXODUS ein Höhepunkt, dass wir mit der 28 zumindest die drei besten Stories in deutscher Erstveröffentlichung abgeliefert haben. – Zumindest lt. KLP! Und auch dies soll ganz bestimmt keine Eigenwerbung sein, wie Michael das so dezent ausdrückt. – Für meine beiden Kollegen ganz sicher ein Achtungserfolg, bedenkt man, dass all dies nur von einigen wenigen und absoluten SF-Enthusiasten mit einem immensem (Frei)-Zeit- und Arbeitsaufwand realisiert wurde, die in keinerlei Verhältnis zur allgemeinen Beachtung dessen stehen. Von einem finanziellen Erfolg (auf den keiner von uns wirklich schielt) ganz zu schweigen … aber das wisst Ihr ganz genauso, wie wir auch. Ob´s im kommenden Jahr besser wird? – Man wird sehen … an guter und kompetenter Arbeit aus der Szene wird´s auch sicherlich 2013 nicht mangeln! – Lasst es uns also angehen …”

Olaf Kemmler (Herausgeber): “Das vergangene Jahr hat wie die vorangegangen gezeigt, wie innovativ die Science-Fiction-Szene ist, mit welch positiver Energie gerade die deutschen Autoren ans Werk gehen und was für großartige neue Ideen ausgebrütet werden … dann schrecke ich hoch und stelle fest, dass ich gerade einen schönen Science-Fiction-Traum hatte. In Wahrheit wird der Trend hin zur Nostalgie und zur ewigen Wiederholung bekannter, liebgewonnener Bilder und Accessoires fortgesetzt. Der Blick ist so rückwärtsgewandt, wie er bei der “Literatur von der Zukunft” sein sollte. Aber was soll’s. Bei Krimis werden auch immer bloß Mordfälle aufgeklärt. Solange es allen Spaß macht, ist das schon in Ordnung.”

 Andreas Eschbach (Autor): “Meine “gefühlte” Antwort wäre, dass 2012 kein irgendwie besonderes Jahr für die deutsche SF war – weder ein schlechtes, noch ein gutes. Wie gesagt, das ist aus dem Bauch raus. Aber ich denke, für ein gutes Jahr müsste ein neuer Autor kommen und mal wieder alle SF-Preise abräumen 😉 nicht immer bloß die alten Gesichter.”

Motiv: Andreas Adamus

Natürlich gibt es noch weitere Stimmen. Und zwar von den Fans. Die wollen wir hier natürlich nicht außen vor lassen. In einem Thread im SF-Netzwerk haben wir auch sie gefragt: “Was sind eure Favourites 2012? Was hat gefloppt?”

Hier ein paar Antworten:

yiyippeeyippeeyay: “Da es die einzige Con war, die ich besuchte in diesem Jahr, war die Elstercon eindeutig mein Favorit! Eingefügtes Bild

Ein Flop, von dem ich mir mehr erwartet hatte, war Venustransit. (Sorry, aber wir wurden ja auch nach denen gefragt. – Mehr zur Begründung hinterm Link nach etwas Scrollen…)

Für 2013 wünsch ich mir einen guten Start fürs (im SFN!) aktuell gestartete Reihenprojekt D9E!

… DER einzige Con, sorry. Ich und Fremdwörter sind sich immer fremd… Eingefügtes Bild (nach einigen bösen Antworten, Anm. d. Redaktion)”

Nina Horvath (Autorin): “Mein Top war, dass eine gewisse Geschichte (ja, ich weiß, ihr rollt schon mit den Augen, aber ich genieße es nach vor, darauf hinzuweisen! Eingefügtes Bild ) aus der Science-Fiction-Anthologie “Prototypen und andere Unwägbarkeiten” den “Deutschen Phantastik Preis” gewonnen hat.

An Cons waren meine Highligts BuCon und Eurocon. Eindeutig. MucCon war auch nicht übel, aber etwas zu wenig los. Eurosteamcon … na ja. In Wien wars mehr eine Themenparty.”

Naut (Autor): “Meine Tops 2012: ‘Prototypen’, hier speziell Ninas Geschichte, die den DPP völlig verdient gewonnen hat, und ‘Geschichten aus dem Aether’, hier speziell Merlin Thomas’ Geschichte, die man tatsächlich als SF zählen kann – wenn man mal glaubt, dass es Deutsche und Russen schon um 1900 auf den Mars geschafft haben. Matthias Falkes “Der Bruch der nordwestlichen Stelze” hat mich wieder mal erzählerisch sehr beeindruckt. Ich freue mich wie bekloppt, dass ich bei einem neuen Projekt mit ihm zusammenarbeiten kann.
Und ich freue mich, dass Norbert Stöbe wieder einen regelmäßigen SF-Output produziert. Ich würde nur allzu gern endlich die Fortsetzung zu seinem irgendwie nicht abgeschlossenen Roman ‘Namenlos’ lesen!”

Ernst Wurdack (Verleger): “DAS war für mich als Verleger das Highlight des Jahres. Wir haben es tatsächlich geschafft und uns zusammengerauft und eine neue Reihe aus der Taufe gehoben: D9E.”

(Motiv: Thomas Hofmann)

Audiovisionaer: “Meine Con-Highlights: Elstercon Leipzig

Spacedays Darmstadt – trotz Hitzerekord kamen tatsächlich externe “normale” Besucher. Aehtercircus Stade – aus dem Stand heraus top, das erste deutsche Steampunkfestival, tolle Lokation, guter Programmix – Pausen zum Raumwechseln, Technik-Check, Stände besuchen, essen … networken und nett worken. Anno 1900 – Steampunkconvention in Fond de Gras – Luxemburg – was das SF-Fandom nicht schafft: Tanz, Akrobatik, Comedy, edle DIY-Kostüme statt Merchandising-Plastik. Life-Konzerte vor kleinem Publikum, edle Lokation — demnächst mehr in Androxine und den Andromeda-nachrichten

Meine Con-Flops: Eastercon London – zu wenig Medieneinsatz, nerdig, nur ein Steampunk-Panel, zu viel George R.R. Martin. MucCon, zwar gut gedachtes Programm, aber kaum Besucher (den Tolkien Tag Rhein Main erwähne ich nur in Klammern, ebenfalls unterirdisch besucht).
Film-Highlight: Iron Sky

Anthologie-Highlight: Die Stille nach dem Ton – hochkarätig – exotisch-formatig – als ordentliches Hardcover erhältlich.

Was ich mir fürs nächste Jahr wünsche:
DEN WELTUNTERGANG – DENN BESSER WIRD ´S NIMMER!”

Trurl: “Wen ich allerdings ganz gerne lese, ist Andreas Brandhorst, dessen Roman Das Artefakt mir sehr gefallen hat. Eine weitgespannte Space Opera mit psychologischer Tiefe, die sich auch vor den dominanten englischsprachigen Vertretern nicht verstecken muß. Vielleicht hat Andreas noch nicht ganz das Niveau von Reynolds, Simmons oder Banks erreicht – da gibts noch einen kleinen Unterschied – aber ich ordne ihn in meiner Geschmackshierarchie bereits dahinter ein. Ein wenig enttäuscht war auch ich Lucas Edels Venustransit, von dem ich mir versprochen hatte, wo dieser Autor doch schon so oft gelobt wurde und auch der Roman in einigen Rezis vorab postiv besprochen wurde. Schade.”

Harald Giersche (Verleger): “Für mich war ganz klar das gute Abschneiden der Anthos “space rocks” und “Prototypen” bei den Preisen eine Riesensache und der Gewinn des DPP für “Duftorgel” von Nina das Highlight. Da, wo die Storys nicht so hoch kamen, wurden sie durch die Nominierung zumindest erwähnt … Cons: tja, schwer zu sagen. Top war auf jeden Fall der ElsterCon in Leipzig. Eine sehr feine Veranstaltung.”

 ShockWaveRider:

“Beste Romane:
– Oliver Henkel “Die Fahrt des LEVIATHAN”
– Sebastian Vogel “Der Wortschatz”

Beste Anthologien/Collections:
– Thomas Wawerka: “Wie das Universum und ich Freunde wurden”
– Heidrun Jänchen “Willkommen auf Aurora”
– Michael K. Iwoleit “Die letzten Tage der Ewigkeit”
– Harald Giersche (Hg.) “Prototypen und andere Unwägbarkeiten”
– O.G. Hilscher/M.K.Iwoleit (Hg.) “NOVA 20″”

Frank Hebben (Autor):

“Beste Anthologien/Collections:
– Michael K. Iwoleit “Die letzten Tage der Ewigkeit”
– O.G. Hilscher/M.K.Iwoleit (Hg.) “NOVA 20”
– Ted Chiang: “Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes” [Okay, kein Deutscher, aber geil^^]
– Und meine “Maschinenkinder” <3″

Lothar Bauer (Grafiker):

“Beste Romane:
Palo Bracigalupi, Biokrieg
Sternenträume – Peter F. Hamilton
David Brin Sonnentaucher Uplift

Beste Anthologien/Collections:
Michael Marrak und Karsten Kruschel:
Armageddon mon amour. Fünf Visionen vom Ende
die schlägt für mich sogar den Chiang”

So, das waren einmal ein paar Eindrücke direkt aus der Szene. Hier könnt ihr übrigens mitdiskutieren. Wir wünschen allen (Machern und Fans) einen schönen Jahresausklang und ein erfolgreiches und angenehmes Jahr 2013. Und hoffentlich können wir auch am Ende des nächsten Jahres festhalten: Die deutsche SF lebt. Und sie wächst!

Frohes Fest und guten Rutsch wünscht euch das dsf-Team!