Kategorie: Rezensionen

Rezension: Paradox, Transport und Transport 2 von Phillip P. Peterson

Phillip P. Peterson ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Ich weiß, wer sich dahinter verbirgt, werde aber das Geheimnis nicht lüften. Eines Selfpublishers, der mittlerweile von seinen Büchern lebt. Seine Bücher sind professionell lektoriert und machen einen guten Eindruck. Nachstehend mal eine Darstellung der bislang erschienen Werke in der Reihenfolge ihres Erscheinens.

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Wertung-3-SterneTransport

Gateway von Frederik Pohl stand hier wohl Pate. Zumindest ist mir die Grundidee dort zum ersten Mal begegnet. Nicht, dass es ein Plagiat wäre, nein, das nicht. Aber die Grundidee kommt daher.
Für ein Erstlingswerk beeindruckend gut umgesetzt. Auch das Lektorat hat gute Arbeit geleistet, mir sind lediglich drei Tippfehler aufgefallen, erstaunlich gute Quote. Der Sprachstil ist einfach, die Charakterisierung der Protagonisten ebenfalls, aber das ist nicht weiter schlimm. Das Buch unterhält und das ist es, worauf es ankommt. Da habe ich schon weitaus schlechtere Texte von etablierten Autoren gelesen.
Das Problem, das ich mit dem Buch hatte, war, dass die (Auf-)Lösung ein wenig altbacken daherkommt. Ich verrate nichts, keine Sorge, aber es hätte dem Buch und der Story besser zu Gesicht gestanden, nichts aufzulösen. Die Phantasie des Lesers zu bemühen, das ist meines Erachtens die Kunst, an der sich ein Autor versuchen sollte. Egal, wie bereits angeführt, für ein Erstlingswerk beeindruckend. Ich werde den Autor beobachten und mir weitere seiner Bücher kaufen. Die Lektüre ist auf keinen Fall Zeitverschwendung, auch wenn manche Dinge sicherlich entwicklungsfähig sind.

Wertung-4-SterneParadox: Am Abgrund der Ewigkeit

Ich stehe Selfpublishing grundsätzlich sehr skeptisch gegenüber… aber hier zu unrecht. Der Roman ist toll. Handwerklich solide geschrieben, da gibt es absolut nichts zu bemängeln. Rechtschreibung, Zeichensetzung, Storyline alles nahezu perfekt. Außerdem eine grandiose neue Idee für den SF-Kanon. Meines Wissens (und ich habe schon viel, sehr sehr viel im Genre gelesen) ist diese Idee neu! (Welche das ist, werde ich nicht verraten, das verdirbt einem Leser die Spannung).
Warum vergebe ich trotz meiner Lobrede nur 4 von möglichen 5 Sternen? Weil mich die zu lange Anfangssequenz gestört hat. Ich möchte kein Buch lesen, das mir beschreibt, wie Raumfahrt wirklich geht, das ermüdet mich. Da bin ich Purist, ich wünsche mir SF, reine SF und rund 2/3 des Buches würde ich unter Mainstream einsortieren. Das stört mich. – Bitte nicht falsch verstehen, auch dieser Teil ist gut geschrieben, auch da hebt sich Peterson wohltuend von vielen anderen Autoren ab, aber da bin ich der falsche Adressat.
Insgesamt auf jeden Fall eine Leseempfehlung, der Roman hat den Kindle Storyteller Award nicht zufällig gewonnen.

 

Wertung-4-SterneTransport 2 – Todesflut

Der zweite Teil von Transport gefiel mir gut bis sehr gut.
Wir haben hier ein uraltes SF Szenario. Eines, was z. B. Heinlein bereits ausgearbeitet hat, die Besiedlung eines fremden Planeten unter widrigen Umständen. Peterson schildert uns das einhergehend mit einer interessanten Charaktersierung seiner Protagnonisten. In anderen Rezensionen wird bemängelt, dass der SF-Teil fehlen bis schwächeln würde, ich sehe das nicht so. Der Roman zieht gerade seine Stärke aus einer Art Robinsonade, die Protagonisten sind auf sich allein gestellt. Sie haben keine andere Wahl, sie müssen sich selbst helfen, von außen kann es keine Hilfe geben. Unter dem Druck, dem sie ausgesetzt sind, kommen die wirklichen Persönlichkeiten zum Vorschein. Hass bricht sich Bahn, aber auch Aufopferung für die Gemeinschaft. Das alles ohne großen Pathos, zumindest wirkte für mich die Schilderung der Personen und deren Handlungen durchaus glaubhaft und nachvollziehbar.
Schwächen hat das Buch auch, aber an anderer Stelle. Da wird seitenweise technisiert. Kein Technobabbel, wie in Star Trek, nein, es geht darum, eine Atombombe wieder funktionstüchtig zu machen, warum, das verrate ich hier nicht. – Nun, einerseits irgendwie merkwürdig, dass sich ein so kleines Häuflein ohne besondere Kenntnisse daran wagt, aber das thematisiert der Autor ja selber auch. Nein, mich stört andererseits, dass es zu sehr ins technische geht. Klar, der Auto ist selber von Haus aus Wissenschaftler, aber da ist er etwas zu weit gegangen, für mich wurde es stellenweise doch etwas langatmig, als es um das Thema ging.
Und der zweite Punkt, an dem ich stocken musste, ist die Ökologie des Planeten. Ein Paradies für die (unfreiwilligen) Siedler, wenn auch (wie bei Heinlein) mit kleinen Schönheitsfehlern. Hier gibt es Raubtiere, die ihre Beute mittels Säure in einen Brei auflösen, den sie dann absorbieren. Nettes Bild, ziemlich eklige Vorstellung, sei es drum. – Aber, wo sind die Beutetiere? Peterson beschreibt uns anschaulich Kämpfe mit Rudeln von Raubtieren unterschiedlicher Art und Gattung, zum Showdown hin geht er gar ins Gigantische! Aber wovon leben denn die Viecher, wenn sie nicht gerade Kannibalismus betreiben? Da ist ein Logikfehler, den man hätte beheben können/müssen. Notwendig wären doch auch gar nicht diese Massen an Raubtieren gewesen, auch eine durchgegangene Herde von Beutetieren stellt eine ernsthafte Bedrohung dar, Peter! Aber sei es drum, das alles ist der Dramatik geschuldet.
Durch die Bank weg ein spannendes Buch, das durchaus 5 Sterne verdient hätte, wegen den o. g. Punkten dann aber doch einen Stern Abzug von mir bekommt. Demnach 4 von 5 möglichen.
Auf seiner Lesung in Oldenburg gab der Autor Einblicke in den dritten Teil, der wohl bald das Licht dieser Welt erblicken soll. Es geht spannend weiter, diesmal spielen die Transmitter wieder eine weitaus größere Rolle, so viel sei verraten.

Rezension: !Xaver und !Alois

Xaver und AloisEine rare Ausnahme sind hierzulande inhaltlich brauchbare und gleichzeitig handliche Sekundärwerke zur SF (der Ziegelstein “Das SF-Jahr” fällt nicht unter “handlich”).

Umso wichtiger ist es uns, auf zwei passende Beispiele hinzuweisen.

Wer in den letzten Jahren den einen oder anderen SF-Con besucht hat, der hat womöglich bereits ein Panel des “Phantastischen Quartetts” erlebt, in dem Ralf Bodemann, Christian Hoffmann, Udo Klotz und Stefan Kuhn “Perlen der Science Fiction” vorstellen.

Die beiden Magazine “!Xaver” (2015) und “!Alois” (2016) sind die Papier gewordenen Panels für alle, die sie verpasst haben, plus Bonus.

Beide Ausgaben bringen persönlich gefärbte Leseempfehlungen aus allen Sparten des Genres – Anthologien, Romane, Klassiker, Trash, Serien, Sekundäres, Neues, deutsche und internationale Werke. Hinzu kommen fachkundige Artikel über Autoren wie David Brin oder Thomas Thiemeyer, und sogar Überlegungen, was an einem SF-Werk eigentlich zu einer positiven Rezeption führt, inklusiver diverser Zitate. Auch wenn es nicht direkt im Sinne der Verfasser gewesen sein mag: Ich persönlich glaube, dass sich gerade einige weniger erfahrene SF-Autoren die beiden Magazine zu Gemüte führen sollten – für mehr Qualität in der SF!

Einzige schlechte Nachricht: Es gibt wohl nur sehr wenige Leser, die es schaffen werden, bis zu ihrem Tod alle empfehlenswerten Werke (zuzüglich dem ohnehin schon vorhandenen Stapel ungelesener Bücher) zu genießen. Aber man kann ja zumindest mal anfangen…

Die hochwertig aufgemachten Hefte sind für 3 (Xaver) bzw. 4 Euro plus Porto im Moment nur per Email-Bestellung  zu beziehen. Wendet euch vertrauensvoll an Stefan Kuhn: stef.kuhn(at)yahoo.de

Rezension: Im Licht von Orion

Im Licht von Orion

Die große Sciencefiction-Sammlung vom Verlag “Modern Phantastik” eint auf gut 520 Seiten zweiundzwanzig Geschichten von neunzehn Autoren, die in der deutschen SF schon länger ihr ‘Unwesen’ treiben. Dem ein oder anderen Autoren ist man sicher schon begegnet, anderen hingegen weniger.

Einige der Geschichten sind sogar Preisträger und geben dem Buch daher noch eine kleine Note “besonders”

Nach einem netten, leicht gedehnten Prolog – oder eher ein Warm up, welches den Leser in Stimmung bringt, startet das Buch mit der Geschichte:

Impetus“ von Sven Svenson.

Eine nette, schön erzählte Geschichte mit einem anfangs leichten, nicht ganz ersichtlichen Hin- und Her, dass sich gegen Ende auflöst und selbst erklärt und ein gutes Gefühl hinterlässt.

Gerd Frey „Grauzeit“

Großartig geschriebene Geschichte aus der Sicht eines nicht weiter beleuchteten Protagonisten, der nur Beobachter der eigentlichen Hauptfigur ist: Das bedrohliche Setting einer dunklen Macht, die auf die gesamte Erde einfällt.

Peggy Weber-Gehrke „Wir werden alle Helden sein“

Anfangs etwas wunderlich entpuppt sich diese lange, aber nicht zu lange Geschichte über Menschen, Monster und Aliens zu eine Art Higlight.

Dabei ist noch nicht mal sicher, ob die Protagonisten wirklich auf einem Raumschiff sind, oder ob sich das ganze im Hinterhof einer Nervenheilanstallt stattfindet.

Es ist eine Kontaktgeschichte aus der Sicht von offenkundig durchgedrehten Schiffsbesatzung, die ihr ganzes Wissen über „Aliens“ aus der aberwitzigen Sciencefictionfilmen und -büchern nimmt und darüber auf skurrile Weise philosophiert. Oder es ist nur eine durch und durch bekloppte Welt von rückgebildeten Menschen – oder Menschhybriden oder oder oder. Viele Dinge sind denkanstößige Mahnmale an die Menschheit selbst, die wohl jeder für sich selbst finden muss.

Auf jeden Fall lesenswert.

F. Anderson „Antibiose“

Ein Versatzstück aus „Geschichten aus der Gruft“, „Outer Limits“ und „Akte X“ mit einem seichten Plot, der einige bekannte Szenarien bedient, aber sehr gut erzählt ist. Der geschmeidige Lesefluss wird höchstens davon getrübt, dass das Ende ein wenig unbefriedigend, ja sogar recht platt ist.

Jacqueline Montemurri „Die Faszination der Einsamkeit“

Großartig erzählt. Toll geschrieben.

Eine kurze und authentische Geschichte zwischen Menschen, Menschlichkeit, Hoffnung, Liebe und dem All.

Rico Gehrke: Die Verführung der Mona Lisa

Eine recht lange Geschichte, die sich sehr viel Zeit mit ihren beiden Charakteren nimmt, wobei hier auf dem weiblichen Protagonisten natürlich der Fokus liegt, da die Idee an sich wirklich großartig ist.

Anfangs dachte ich noch: „Du meine Güte … “

Vor allem an der Stelle: „Wie alt sind Sie?“ – „23“ – „Dafür haben Sie sich aber gut gehalten“ wollte ich schon aufhören. Hallo? Zeige mir einen Menschen, der heutzutage eine 16jährige von einer 23jährigen unterscheiden kann …

Der äußerst angenehme Schreibstil ließ mich jedoch weiterlesen, und abgesehen von diesen kleinen Fehltritt entwickelt sich die Erzählung zu einer sehr interessanten SF-Werk, das zwar nicht ganz innovativ, aber sehr gut präsentiert wurde.

Cliff Allister: Wer hat’s erfunden?

Wow.

Das ultimative Highlite des gesamten Buches.

Ich mag keine Zeitreisegeschichten, weil die meisten Autoren in der Geschichte rumwerkeln wie ein Schlächter. (Dabei weiß doch jeder, dass man den Zeitenstrom nicht verändern kann. Cliff Allister wusste es auch.) Seine Geschichte war nicht nur fantastisch erzählt, kurzweilig, packend und witzig. Nein, darüber hinaus war sie am Ende ebenso konsequent und originell wie zu beginn.

Große Unterhaltung!

Matthias Falke: Flitterwochen

Anfänglich glaubte ich noch, die Geschichte hätte auch auf einen gegenwärtigen Luxusliner spielen können. Wandelt sich aber gegen Ende zu einer schönen „fremdvolk“-Erzählung, wie man sie auch in Star Trek hätte finden können.

Regine Bott: Harmonice mundi

Eine wirklich schön erzählte Geschichte aus zwei Perspektiven. Einmal der Siedlung Harmonice mundi auf Kepler und dem Schiff Galilei und seine Besatzung. Wieso, weshalb und warum das Schiff seinen Auftrag so konsequent, schnell und ohne nachzudenken erfüllen muss, wird leider nicht näher erklärt, nur angedeutet – oder ich habe es nicht verstanden. Jedenfalls endet die Geschichte wie erwartet tragisch und hinterlässt einige Fragezeichen im Kopf des Lesers.

Galax Acheronian: NNT 275

Die Sprünge bei Szenenwechsel sind mitunter hart, so dass man orientierungslos sein kann. Es ist anfangs eine Geschichte mit ein wenig Geisterflair und Horrorelementen, wandelt sich dann zu einer Ohrfeige an den Glauben der Überlegenheit einer von sich sehr eingenommenen Spezies.

Oliver Koch: Fehler im System

Uff, ist das übel … im positiven Sinne.

Eine wirklich hervorragend aufgebaut und erzählte Geschichte. Tolle Idee, sicher nicht neu, aber wunderbar dargeboten.

Der Verdacht, dass in der Erzählung über den Hauptprotagonisten Tim und seiner Geburtstagsfeier etwas nicht stimmen kann, wird subtil vom Autoren eingebettet und schenkt immer wieder Momente der Fragezeichen und der geistigen Suche nach Antworten.

Als diese dann geliefert wird, bleiben keine Fragen mehr – nur ein wenig Gemütsschwere.

Eine der Top-Geschichten in diesem Buch.

B.C. Bolt: Der Gebühreneinzugsbevollmächtigte

Eine sehr nette sehr spacige SF-Geschichte, in der kein Wunsch nach einer fiktiven Welt übrig bleibt. Am Ende war jedoch nichts geschehen, denn wie im realen Leben kann man nichts tun, wenn das Staatssystem die gierige Hand aufhält und etwas vom Kuchen nimmt, den er weder gebacken, noch gefördert oder irgendetwas für dessen entstehen beigetragen hat. Aber es hinterlässt ein gutes Gefühl, dass aus Geldgründen der Mord an einem Staatsdiener nicht geahndet wird. Wäre es doch nur in unserer Welt auch so 😉

Rico Gehrke: Bestrafung

Kurz, prägnant. Es geht um die Idiotie von Menschen und den Glauben, dass Handeln keine Konsequenzen hat. Aber … es fehlt etwas. Nach einer sehr detaillierten Einführung und Vorstellung ein jähes plumpes Ende. Unbefriedigend.

Michael Stappert: Reha 2.0

Eine Geschichte, die mich zutiefst wütend gemacht. Oh, nein, sie ist verdammt gut.

Aber in ihr steckt eine Bösartigkeit, die so subtil ist und so hinterfotzig (sry. ein anderes Wort konnte nicht gefunden werden), dass es einem die Sprache verschlägt. Es ist eine Geschichte über Missbrauch. Machtmissbrauch. Missbrauch von Menschen. Missbrauch von Vertrauen. Am Ende will einem dann ein gepflegtes „Scheiße, ihr depperten Arschlöcher“, über die Lippen kommen.

Highlight!

Gerd Frey: Anomalie

Eine Zeitreise und ihre Nichtfolgen. Eine seltsame Geschichte, weil sie für das Außen, für die anderen Protagonisten der Geschichte, ohne Belang bleibt. Andererseits werden Ideen und Konzepte aufgegriffen, die aus der Gegenwart sind und in ihrer gedanklichen Fortführung da landen können.

Adriana Wipperling: Hinter dem Schleier

Eine schöne Geschichte, gute Idee, jedoch etwas schwerfällig und spröde umgesetzt. Möglicherweise, weil es nur aus einer Perspektive erzählt werden kann. Hat das Potential zu einer größeren und sehr komplexen Geschichte. Der Titel ist passend und unpassend zugleich.

F. Anderson: Das Symbol

Weitschweifig erzählte Geschichte mit Anfängerfehlern was die Formulierungen und das Umschreibungen angeht, über einen Mann, der unschuldig von einer, einem anderen Mann versprochenen Frau verführt wird. Das Setting: 1000 und 1 Nacht in der Wüste bei den Beduinen.

Das Ganze kombiniert mit einem sadistischen Kind/ Dämonen und Folterszenen. Dazu gehört eine nicht durchdachte Plotline zusammen mit Seltsamkeiten und Charakteren, die einfach nicht überzeugen. Angesichts der teils ernsten Situation ist eigentlich kein Schmunzeln angesagt. Leider konnte ich es nicht unterdrücken.

Frank Lauenroth und Lara Möller: Deleted Scenes

Der Titel ist passend und doch sagt er sehr wenig über das, was da geschrieben steht. Eine kurze Geschichte mit mehr Facetten, als man meinen sollte und jede davon berechtigt.

Jacqueline Montemurri: Schrottsammler

Die Geschichte erhielt den 2. Platz im Wettbewerb des Vereins zur Förderung der Raumfahrt 2015.

Eine Schrottsammelaktion einer kleinen Privatfirma im Orbit der Erde wandelt sich in eine Rettungsmission, die europäisch-politische Aspekte berührt. Sprachlich, inhaltlich und stilistisch müsste mal ein Lektor drüber. Manche Dialoge/ Monologe wirken arg gestelzt. Die Geschichte selbst ist nicht spannend, was entweder an der Art des Erzählens liegt oder tatsächlich am Thema. Es gibt Perspektiven, die möglicherweise einen interessanteren Blick auf das Thema geworfen hätten. Dennoch ist die Geschichte weder schlecht aber eben auch nicht gut.

Michael Thiele: Spätes Erwachen

Ein klischeebehafteter feuchter Männertraum aus dem pubertierenden Gedankengut eines 13jährigen mit bekanntem Setting, wobei die Frauen die Verführerinnen sind, der Mann ein Macho und zeitgleich die Jungfrau vom Lande … 

Ernsthaft? Amazonen(?) nehmen Männer im Urwald fest, fesseln sie aufs Bett und verlustieren sich mit ihnen? Vielleicht ein Werbetext für Männer, die noch keine Frauen abbekommen haben und sie auf anderen Planeten zu finden hoffen – denn das war in diesen eher armseligen Billigprono auch das einzige SF-Element: Ein anderer Planet und Zukunft. Huiiiiiii …

Christopher Dröge: Zilie

Spannend und für unsere Gefilde eine ungewöhnliche Umgebung, was einen weiteren Reiz darstellt. Der Dschungel in Mittelafrika in Bolanda/ Kongo. Ein Junge, noch Schüler, der fremd in der Umgebung ist und in einer Sonderwirtschaftszone lebt, wo er sich mit drei anderen Jungen anfreunden möchte und dabei in ein Abenteuer der besonderen Art rutscht – und dabei möglicherweise sein Leben riskiert. Lebhaft und bildhaft. Eigentlich keine Kurzgeschichte, sondern der Anfang von viel mehr.

Rico Gehrke: Kontaktversuche

Ich bin unsicher, ob die falsch gesetzten Wörter und der leicht gestelzt Satzbau beabsichtigt waren. Die fremde Wörter (keine Fremdwörter) klingen gut, haben aber für eine Kurzgeschichte nicht genug Bedeutung, da sie leider nicht erklärt werden.

Ersteres wandelt sich deutlich, es wird sprachlich dichter. Die Geschichte kommt trotzdem nicht auf den Punkt. Will sie Einsamkeit, Längen oder Zeitlosigkeit vermitteln?

Die drei Dimensionen des Raumes haben sich noch nicht aus ihrer Verflechtung gelöst.“

Ab hier erhöhte sich die Verwirrung spürbar. Das ganze wirkt wie eine Ich-Nabelschau mit versuchten philosophischen Tiefgang in nicht stringenter, hochtrabender Ausdrucksweise.

Fazit:

Abgesehen von den wenigen vertretbaren Fehlern, die der Lektor hier oder da mal übersehen hat

(Kleinigkeiten sollten ausgemerzt werden, ist aber nicht dramatisch für den Gesamteindruck.) ist das ganze Buch an sich schon ein großer Gewinn für den Leser.

Klar, es gibt die üblichen Schattengestalten, bei denen man sich fragte, warum um alles in der Welt diese Zeilen geschrieben worden sind. Primär jedoch – und zum Glück – finden sich in dieser Sammlung spürbar in der Mehrzahl durchweg positive Geschichten, die viele Stunden schönen Lesegenuss garantieren.

In einer Top drei würde ich im übrigen völlig subjektiv so werten:

Platz 3 geht an Oliver Koch: „Fehler im System“

Platz 2 geht an Michael Stappert: „Reha 2.0“

Platz 1 geht an Cliff Allister: „Wer hat’s erfunden?“

Modern Phantastic

Als E-Book und Print

EUR 17,90 z.B. bei Amazon

Rezension: “MEMOX: Das Zittern der Zeit” von Peter Pakulat

MEMOXSeltsame Dinge geschehen in Berlin: Spatzen fliegen gegen Bäume und es regnet Augäpfel. Und in China kostet ein Erdbeben tausende Menschenleben. Ein Hamburger Blogger ahnt, dass es einen Zusammenhang gibt, und beginnt zu recherchieren.

Peter Pakulats SF-Roman “MEMOX: Das Zittern der Zeit” ist ein Selfpublisher-Bestseller bei Amazon. Man versteht beim Lesen ziemlich schnell, warum: Die Geschichte überbietet an Ideenreichtum den  größten Teil der Konkurrenz. So viel Kreativität macht einfach Spaß. Das kann gar nicht genug hervorgehoben werden, denn einige andere SF-Autoren glauben, aus einer einzigen oder auch gar keiner Idee einen Roman machen zu können. Was bei Vampirschmonzetten funktionieren mag, lockt bei der SF nur hartgesottene Fans von Raumschlachten mit hoher Laserstrahl-Dichte.

Wer es mit Plausibilität nicht allzu genau nimmt, wird den Roman mit großem Vergnügen lesen. Im Grunde handelt es sich “nur” um einen Zeitreise-Plot. Bei genauem Hinsehen muss man deutlich kritisieren, dass die Figuren nicht immer logisch handeln, und dass die Handlung gähnende Logiklöcher aufweist, die der Autor mit teils seitenlangem Pseudo-Technobabbel zu kaschieren versucht. Hinzu kommen eine ganze Reihe teils haarsträubender Rechtschreibfehler. Wer darüber hinwegsehen kann, wird den Roman mit großem Vergnügen lesen.

Link zu Amazon

Unterhaltung: 

Anspruch: 

Originalität: 

Rezension: „Das Universum nach Landau“ von Karsten Kruschel

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Ein Roman in Dokumenten und Novellen.

Jede Novelle erzählt eine mehr oder weniger in sich abgeschlossene Geschichte. Ohne den Rückentext gelesen zu haben, wirken die Geschichten zunächst ziemlich zusammenhanglos und deshalb erschließt sich nur im Nachhinein der Rote Faden in der Zusammenstellung der Dokumente und Novellen: die Evolution des Menschen, getrieben von immer größeren Hindernissen, die das Universum ihm entgegenstellt.

Der sehr gute Schreibstil des Autors ermöglicht es bei den längeren Texten schnell in die Geschichte einzusteigen und man würde gern mehr erfahren. Sie beginnen meist interessant und spannend, aber bei einigen drängt sich der Verdacht auf, dass sie schnell beendet werden mussten oder der Fokus verschob sich während der Erzählung. Zum Beispiel bei der Geschichte Weiß: Der Ausweg Blanch. Hier wird am Anfang die Liebe zwischen den beiden Protagonisten in den Vordergrund gestellt, aber bald schon geht die Frau aufgrund eines Selbst-Experimentes mit beachtlichen Folgen ihren eigenen Weg und den Mann scheint das gar nicht zu berühren. Irgendwie fehlt hier etwas.

Als ergänzende Geschichtensammlung zu den anderen Büchern aus dem Universum dieses Autors ist das Buch wahrscheinlich zu empfehlen. Auch wenn man die einzelnen Texte als separate Kurzgeschichten betrachtet (die z.T. bereits in Magazinen erschienen sind), hat man durchaus Spaß an der Beschreibung der technischen Möglichkeiten und den Begegnungen mit fremden Lebensformen. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die Ideen vielleicht zu groß für kurze Novellen sind und deshalb das bloße Umreißen den Leser am Ende unbefriedigt zurück lässt.

Wertung-3-Sterne

Rezension: “Unsterblich” von Jens Lubbadeh

Unsterblich von Jens Lubbadeh

Ein SF-Roman über digitales Leben nach dem Tod – und das in einem Großverlag, mit Marlene Dietrich auf dem Cover. Sagen wir mal so: Heyne hat schon Bücher rausgebracht, die weniger neugierig gemacht haben.

Benjamin Kari geht dem Verschwinden des “Ewigen” von Marlene Dietrich nach. Die “Ewigen” sind die holografischen Abbilder Verstorbener. Die ganze Technik dahinter stammt von einem Monopolisten namens “Infinity”. Es gibt “Ewige” von Berühmtheiten, aber auch von der Oma, der tragisch verstorbenen Ehefrau oder (posthum) von einem selbst. Dazu zeichnet Infinity mit “Lebenstrackern” alles auf, was ein Mensch erlebt, um später damit die Simulation zu programmieren, die als ewiges holografisches Abbild durch die Gegend läuft – allerdings leicht modifiziert. Ich will hier nicht zu viel vorweg nehmen, aber eines sei gesagt: Man darf hier keine akkurate, realistische Darstellung einer möglichen digitalen Zukunft erwarten. Zwar gibt es auch in der Realität Bestrebungen, mehr als nur die Erinnerung an Verstorbene digital aufzubewahren, aber was Lubbadeh in seinem Roman erfindet, ist eine ganz andere Nummer. Er muss dafür einen Riesenaufwand an Technik postulieren: Billionen Nanodrohnen, Chips im Kopf um die Hologramme “einzublenden”, Lebenstracker im Handgelenk, und so weiter. Woher die nötige Energie kommt, wie die immensen Datenmengen übertragen und verarbeitet werden – geschenkt. Spätestens gegen Ende wird klar, dass die Daten sogar sehr leicht zu beschädigen sind. Der Rezensent, selbst IT-Berater, kann da nicht aus seiner Haut: Er sieht sich die ganze Zeit in einem Meetingraum bei Infinity verzweifelt erklären, dass es zwar echt cool ist, Rechenzentren an pittoresken Orten aufzustellen, dass echte IT-Sicherheit aber doch ein bisschen anders funktioniert.

Sehr überzeugend beschreibt der Autor hingegen, wie die Ewigen von Berühmtheiten im täglichen Leben wichtige Positionen einnehmen: Man glaubt sofort, dass die Wähler einen Ewigen von Helmut Schmidt jedem zeitgenössischen Politiker vorziehen würden. Die Masse schaut ja auch lieber den x-ten Aufguss von Enterprise und Spiderman – oder eben den neuen Film mit Marlene Dietrich. Hier nutzt Lubbadeh die Gelegenheit für popkulturelle Anleihen, die SF-Leser immer gerne goutieren.

Nach und nach entwickelt der Roman eine spannende Thrillerhandlung. Er bleibt fast die ganze Zeit in der Perspektive des Ben Kari, der Kapitel für Kapitel tiefer in eine Verschwörung hineingezogen wird und schließlich zum Gejagten wird. Dabei kommen natürlich diverse Schusswaffen zum Einsatz, und die Projektile treffen durchaus auch mal.  Es fließt eine Menge Blut – bis man sich am Schluss fragen muss, ob die dem Tode nahe und schon leicht verwirrte Hauptfigur mit seiner letzten Handlung nicht eine globale Katastrophe auslöst…

Auch wenn hier zweifellos ein ideenreicher und spannender Roman vorliegt: Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema “digitaler Tod” bleibt der Autor schuldig. Die “Ewigen”, um die es eigentlich zu gehen scheinen, treten so gut wie nie selbst auf. Am Schluss gibt es noch eine dermaßen phantastische Wendung, dass einem das “Hä!?” glatt im Halse stecken bleibt. Hier nähert sich der Roman fast schon gefährlich dem Bloß-nichts-hinterfragen-Niveau typischer amerikanischer Blockbuster. Es bleibt aber unter dem Strich eine spannende, flott erzählte Geschichte mit vielen interessanten Einfällen. Das ergibt eine 3-Sterne-Wertung – den vierten Stern erhält hier der Großverlag für den Mut, einem SF-Roman eines recht unbekannten, ideenreichen, deutschen Autors eine Chance zu geben, der noch dazu nicht im fernen Weltraum spielt. Wollen wir hoffen, dass die Verkaufzahlen diesen Mut belohnen – eine Leseempfehlung sprechen wir allemal aus.

Aktuell gibt es im SF-Netzwerk eine Leserunde zum Roman (Link folgt, da das SFN derzeit nicht verfügbar ist).

Das Buch selbst gibt es im Buchladen eures Vertrauens.

Unterhaltung: 

Anspruch: 

Originalität: 

Rezension: “Blumen vom Mars” von Gabriele Nolte

Ich stehe dem Selfpublishing skeptisch gegenüber, sehr sehr skeptisch. Da wimmelt es normalerweise nur so von Rechtschreibfehlern, die Geschichten sind hanebüchen und so weiter, das muss ich nicht ausführen. Deswegen finden solche Werke auch auf dieser Webseite nur Berücksichtugung, wenn sie es wirklich verdienen.
Das hier vorliegende Buch hätte ich im Leben nie gelesen, hätte mein Freund Heinz Zwack es mir nicht empfohlen. Und zwar so wärmstens, dass ich nicht anders konnte, als es schleunigst zu lesen.
Nun, ich bin selber als SF-Schriftsteller unterwegs. Habe 2014 für meine Novelle “Seitwärts in die Zeit” den Deutschen Science Fiction Preis verliehen bekommen. Aktuell wurde mein Roman “Glühsterne” als bester deutschsprachiger SF Roman für den Kurd-Laßwitz-Preis nominiert. Warum erzähle ich das? – Nun, ich habe das Gefühl, dass meine Texte nicht an das Niveau des hier vorliegenden Romans heranreichen.
Das Setting ist die Erde in naher Zukunft. Die Konfrontation zwischen arabischer und westlich geprägter Welt ist weiter fortgeschritten, Europa ist teils islamisiert. Als weitere Mächte existieren noch China und Russland. In dieser Situation gibt es zwei geheime Kolonien auf dem Mars, eine arabische und eine US-amerikanische. Beide sind im Stich gelassen worden, sind auf sich allein gestellt.
Nun wird anschaulich im Kleinen demonstriert, was sich auch auf der Erde im Großen abspielt: Der Kampf der Kulturen. Einfühlsam schildert Nolte uns die Gefühlswelt arabischer Frauen und amerikanischer Männer. Zeigt zwischen den Zeilen, dass es die arabischen Frauen (die Mütter) sind, die ihre eigenen Kinder so erziehen, dass sie (die Jungen) sie später unterdrücken. Hut ab, das ist realistisch. Genauso realistisch, wie sie zeigt, wie es einzelnen Frauen gelingt, sich dagegen aufzulehnen. Wie sie zeigt, wie sich durch Zusammenarbeit der Kulturen, das Beste aus allem herausholen lässt.
Schonungslos zeigt Nolte auf, was kritisierungswürdig ist, ohne auszugrenzen. Sie zeigt Lösungsmöglichkeiten im Kleinen, die sich wahrscheinlich schwerlich auf das ganz Große übertragen lassen. Aber sei es drum, wir haben hier eine Utopie, die aus einer Dystopie erwächst. Ganz großes Kopfkino!
Am Ende wird es für meinen Geschmack etwas zu esoterisch, aber das ist der Handlung geschuldet.

Wertung-5-Sterne

Rezension: Dirk C. Flecks Trilogie Tahiti/Südsee/Feuer

Das Tahiti Projekt

Das ist kein Roman
…sondern ein als Roman verbrämtes Sachbuch. Als solches nicht schlecht, als Roman fällt es leider völlig durch.
Warum?
Nun, da fehlt so ziemlich alles, was einen Roman ausmacht. Eine Spannungskurve zum Beispiel. Wer hier Spannung sucht, sucht sie vergebens. Im Gegenteil, der Text ist sehr langatmig aufgebaut, immer wieder wird Information transportiert an Stellen, an denen Handlung einen Roman nach vorne treiben würde. Die Protagonisten agieren hölzern. Die Liebesbeziehung zwischen dem Hauptprotagonisten und Maeva, der indigenen Schönheit, wirkt aufgesetzt. – Schade, hier wurde viel Potential verschenkt.
Denn das Thema ist es wert, dass man darüber diskutiert.
Fleck schildert uns hier eine Welt, die unsere Umwelt- und sonstigen Probleme in den Griff bekommt oder zumindest auf einem guten Weg dahin ist.
Fleck schlägt als Lösung mehrere entscheidende Dinge vor:
1. Einführung von Expertenparlamenten anstelle des heutzutage vorhandenen. Gleichzeitige Abschaffung der Parteienlandschaft. Für Grundwerte, Kultur, Politik und Wirtschaft soll es eigene unabhängige Gremien geben, die ihren Bereich in Unabhängigkeit regeln.
2. Bodenreform. Der Boden wird Allgemeingut und von den Menschen lediglich gepachtet, so wird Geld erwirtschaftet, dass der Allgemeinheit im Wege des Grundeinkommens wieder zur Verfügung gestellt wird.
3. Steuerreform. Arbeitseinkommen wird nicht mehr besteuert. Ein Grundeinkommen wird jedem Bürger unabhängig von seiner Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt, damit er seine Grundbedürfnisse befriedigen kann. Die Steuer wird auf Verbräuche erhoben. Luft, Wasser, Boden, Rohstoffe und Energie werden besteuert.
4. Geldreform. Geld nimmt regelmäßig im Wert ab. D. h., wer zu lange sein Geld hortet, hat am Ende weniger Wert in der Tasche, als vorher. Zinsen gibt es nicht mehr. Dieses System bringt die Menschen dazu, das Geld (Tauschleistung) nicht auf Dauer dem Kreislauf zu entziehen. Damit wird die Wirtschaft angekurbelt. Dieses System wurde in Österreich in der Gemeinde Wörgl 1932 praktiziert und dann durch die Regierung verboten.
5. Arbeitsreform. Jeder Bürger darf arbeiten, muss aber nicht. Damit wird Arbeit wieder als Selbstverwirklichung und nicht als Last empfunden.
In Flecks Gesellschaftsentwurf funktioniert das. Er stellt die unverdorbene indigene Bevölkerung Tahitis als die neue Menschheit dar, die uns alle auf den richtigen Weg, quasi zurück zu den Wurzeln, zurück zum Einklang mit der Natur, bringt.
Ein schöner Traum.
Meine Realitätswahrnehmung ist eine andere, sehr viel pessimistischere.
In vielen Punkten kann ich Flecks Plan teilen. Expertenparlamente, Boden- und Steuerreform und vor allem die Geldreform erscheinen mir nicht unlogisch.
Womit ich aber ein erhebliches Problem habe ist die Arbeitsreform. Dies nicht unbedingt mit dem Argument, dass ein erheblicher Anteil der Bevölkerung nicht mehr arbeiten würde; die würden irgendwann die Notwendigkeit einsehen, aber dazu kommen wir gleich. Vielmehr kann der Mensch in meinen Augen nur dann Selbstbefriedigung aus der Arbeit ziehen, wenn er seinen Neigungen nachgeht und beispielsweise ein fertiges Werk schafft, anstelle einer einzelnen Handlung an einem größeren Werk. – Hier sehe ich den alles entscheidenden Haken des Ganzen. Es würden sich niemals so viele Menschen zusammenfinden, um ein größeres Werk (welches ist völlig egal) herzustellen. Die Arbeitsteilung, die uns allen einen gewissen Wohlstand ermöglicht, würde völlig zusammenbrechen. – Tut mir leid, Herr Fleck, aber das ist meine Meinung.
Kennen Sie (natürlich werden Sie das kennen) das Buch Planet der Habenichtse von Ursula K. LeGuin? Hier wird eine ähnliche Gesellschaft dargestellt, wie Sie sie entworfen haben. Allerdings mit der Konsequenz, dass, wenn die Umsetzung funktioniert, der Lebensstandard für alle Bevölkerungsschichten drastisch sinkt. Sicherlich, die Umweltprobleme etc. bekommen wir in den Griff, bezahlen damit aber mit einem für den Einzelnen sehr wichtigen Gut: dem Lebensstandard!
Insofern fürchte ich, dass der Entwurf, den Fleck hier macht, nicht umsetzbar ist. Er muss alleine schon an dem Willen der Bevölkerung scheitern, weil sie nicht bereit sein wird auf Konsum zu verzichten. Hier bräuchte es den „neuen Menschen“, den Sie in der indigenen Bevölkerung, die im Einklang mit der Natur lebt, erkannt zu haben glauben.
Auch hier möchte ich widersprechen. M. E. ist der Mensch anders aufgebaut. Schauen wir doch nur einmal in die Bibel (auch wenn ich nicht religiös bin). Hier will ich nur verdeutlichen, dass der Mensch bereits vor über 2000 Jahren mit denselben menschlichen Problemen wie z. B. der Habgier umgegangen ist. Anders ist dieses Gebot m. E. nicht zu erklären. Wirft man auch einen Blick auf das Artensterben in geschichtlicher Zeit, so glauben Wissenschaftler zu erkennen, dass dieses mit der Ausbreitung des Urmenschen einherging. – Insofern glaube ich nicht an den „guten“ im Einklang mit der Natur lebenden Eingeborenen. Ich sehe den Menschen als Individuum, der nur auf seinen Vorteil aus ist und allenfalls in seiner engsten Umgebung (Familie) etwas andere Maßstäbe gelten lässt. Und das ist schichtenunabhängig. – Aber das führt jetzt zu weit.
Über eine Replik würde ich mich freuen.
Das Buch wurde ausgezeichnet mit dem Deutschen Science Fiction Preis, einem der drei bedeutenden Literaturpreise in diesem Genre in Deutschland.
Ich vergebe 5 Sterne für die Ideen die in diesem (Sach-) Buch transportiert werden. 4 Sterne ziehe ich für die leider nicht wirklich vorhandene Romanstruktur ab.
Das Südsee Virus
Da thrillt nix…
Tut mir leid, da kam bei mir null Spannung auf. Das Buch ist meiner Meinung nach alles andere, als ein Thriller. Ich musste mich zwingen, die Seiten zu lesen, nach dem ersten Drittel konnte ich nur noch querlesen.
Warum?
Nun, der Autor ist bemüht. Ihm liegt viel, sehr viel am Thema. Er bringt dem Leser viele ökologische wie auch politische Ideen nahe. Viele Sachen und Dinge, die absolut notwendig erscheinen, um dem Menschen und mit ihm dem Ökosystem Erde das Überleben zu ermögliche.
Leider scheitert der Roman (nicht die Idee!) eben genau daran. Es ist einfach zu viel des Guten. Der Leser wird ständig belehrt. Offensichtliches wird erklärt. Weniger wäre viel (sehr viel) mehr gewesen. Handlung in dem Sinn, dass hier auch nur ein wenig Action gebracht wird, existiert nicht. Dabei hätte das Buch, anders aufgebaut, sehr viel Potential. Man könnte tatsächlich einen Thriller daraus machen und so auch die Thesen, die es wirklich wert sind, diskutiert zu werden, an die Leser bringen.
Ich vermute jetzt einfach mal, das sich dieser Roman sehr viel schlechter verkauft hat, als der erste Teil. Vermutlich hat Piper aus diesem Grunde darauf verzichtet, auch den dritten Teil zu bringen. Der kam in einem (hervorragenden) Kleinverlag heraus.
Bleibt natürlich noch die Kernaussage, die Thesen. Hier wird dem Equilibrismus der Mund geredet. Das ist grundsätzlich nicht schlecht. Für meine Begriffe wird aber nicht genug hinterfragt. Indigene Bevölkerungen als grundsätzlich gut und die industriell westlich geprägte Gesellschaft als schlecht hinzustellen, ist für mich zu platt. Meine (evtl. unmaßgeblichen) Erfahrungen mit Menschen jeglicher Couleur deuten hier doch auf die weit verbreitete Habgier jedes einzelnen hin. Und das scheint mir in indigenen Bevölkerungen auch nicht anders zu sein, sie hatten bislang einfach nur noch nicht die Chance, derart Einfluss auf die Ökologie des Planeten zu nehmen, wie wir. – Wenngleich, es scheint erwiesen zu sein, dass bereits unsere entfernten Vorfahren (was anderes sind sie, als indigene Völker) für das vielfältige Artensterben verantwortlich sind, was mit der Ausbreitung des Menschen über unseren Planeten hereinbrach.
Insofern hat Fleck hier den zweiten Teil seiner Utopie geschaffen. Wie auch bei Thomas Morus, muss das nicht schlecht sein, es überzeugt mich aber nicht.
Egal, der dritte Teil liegt auf meinem Nachttisch, ich werde ihm eine Chance geben, des Themas wegen.
Feuer am Fuss
Nun, auch der dritte Teil der Maeva-Trilogie hat mich nicht überzeugt. Ich habe ihn in weiten Teilen nur quer lesen können. Der Text liest sich häufig wie ein Auszug aus Reden von Politikern. Allerdings von Politikern, die reden können. Denen ihr Anliegen wirklich am Herzen liegt. – Nichtsdestotrotz, das ist harter Stoff für jemanden, der einen Roman erwartet.
In meinen Augen haben wir hier keinen Roman vorliegen, sondern eher eine Art Manifest. Eine Darstellung einer sterbenden Gesellschaftsform (Kapitalismus) und dem Versuch aus den Ruinen etwas Neues zu schaffen. – Nun, das mag gelingen. Ich teile in vielen Bereichen die Sorgen und Nöte des Autors, kann nachvollziehen, dass in unserem westlichen System vieles im Argen liegt.
Allerdings scheint er mir dann doch an manchen Punkten die Keule herausgeholt und einen Rundumschlag gemacht zu haben. So nach dem Motto: und was ich sonst noch so sagen wollte, das und das und das stört mich auch.
Das tut dem Text insgesamt nicht gut. Er liest sich nicht flüssig, zumindest hatte ich damit meine Probleme.
Einen durchgehenden (spannenden) Handlungsfaden konnte ich nicht erkennen. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass ich häufig nur quer gelesen habe, aber die Handlung hat mich einfach nicht gefesselt. Das war mehr ein Aneinanderreihen von Begebenheiten. Manche Situationen (z. B. das Treffen mit dem russischen Oligarchen oder das Treffen mit einem der Superreichen, der auf der Todesliste steht) lasen sich für mich wie die bei Sozialpädagogen so beliebte Einstiegsrunde bei der Vorstellung im Stuhlkreis: Ich bin der und der und mache das und das… Das thrillt nicht wirklich, sondern hat bei mir nur quälende Langeweile hervorgerufen. Tut mir wirklich leid, ich möchte dem Autor nicht zu nahe treten, aber als Roman taugt auch dieser dritte Teil in meinen Augen nichts.
Der Inhalt, so wie ich ihn wahrgenommen habe, ist kurz erzählt: Unser westlich kapitalistisches System kollabiert. Die Gründe sind vielfältig, lassen sich aber im Grundsatz auf die Habgier einiger weniger Menschen zurückführen. Die indigenen Völker zeigen sich aufgeschlossen den neuen alten Ideen gegenüber und schaffen es (vielleicht) eine neue Gesellschaftsordnung aufzubauen.
Nun, auch damit habe ich so mein Problem. In meinen Augen ist der westlich kapitalistisch geprägte Mensch nicht wirklich schlecht und der indigene nicht von sich aus gut. Das ist mir einfach zu platt und, ganz ehrlich, es war mir an vielen Stellen einfach zu viel des Guten. Immer wieder die weisen Sprüche der Indianer oder der australischen Aborigenies (bewusst mit Genies geschrieben) vorgekaut zu bekommen. Das langweilt. Das ist gut gemeint, aber es hat mich mal vor vierzig Jahren beeindruckt, jetzt nicht mehr. Das ist m. E. einfach nur platt, denn würden wir diesem Weg kompromisslos folgen, dann würden wir auch wieder so leben, wie einfache Stammesgemeinschaften das getan haben: Von der Hand in den Mund. Da fehlt mir etwas, vielleicht habe ich es auch einfach nicht verstanden.
Warum habe ich trotzdem (wenn auch nur quer) weiter gelesen?
Weil das Thema an sich wichtig ist. Weil es wichtig ist, sich mit den Ideen, die Fleck hier transportiert, auseinanderzusetzen. Weil viel von dem, was er beschreibt, tatsächlich kommen könnte. Weil viel ggf. umsetzbar ist und auch sinnvoll wäre, umgesetzt zu werden. Parlaments-, Geld-, Boden-, Steuerreform, alles Dinge, die sich wirklich lohnen diskutiert zu werden.
Allerdings teile ich mit dem Autor auch nicht alle Ansätze. Ich glaube, dass tatsächlich bei wirklich reichen Mitmenschen (ich meine hier Multimilliardäre) ein Umdenken stattfindet. Zumindest habe ich dies bei zwei mir persönlich bekannten festgestellt, die einen ganz erheblichen Teil ihres Vermögens in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht haben, die als Zweck die Völkerverständigung hat. Insofern glaube ich, dass unsere Gesellschaft durchaus wandelbar ist und zwar nicht in dem Sinne, von dem der Autor ausgeht.
Das hört sich jetzt recht merkwürdig an, aber ich würde dem Anliegen des Buches 5 von 5 möglichen Sternen geben, dann aber 4 Sterne für die mangelnde Umsetzung abziehen. Ich wage zu prophezeien, dass sich das Buch nicht als Kassenschlager entwickeln wird (leider) und insoweit die Ideen, die hier aufgeworfen wurden im Sande verlaufen werden.

 

Wertung-1-Stern

Alle drei Bücher sind im Paket nur bei p.machinery zum Preis von 24,90 € zu beziehen.

 

Game-Test: “Stellaris”

StellarisWenn ein deutscher Publisher (Koch Media) ein SciFi-Game produziert und herausbringt, ist uns das natürlich einen genaueren Blick wert. Auch wenn das Spiel von Paradox Interactive in Schweden programmiert wurde. Dieses Studio ist für anspruchsvolle Strategiespiele bekannt: Europa Universalis und Crusader Kings seien als Beispiele genannt. Wenig erstaunlich, dass uns ein paar Elemente aus diesen Spielen bekannt vorkommen. Aber greifen wir nicht vor. Worum geht es in Stellaris?

“Stellaris” ist ein 4X-Spiel. Die vier x des Genres stehen für explore, expand, exploit, exterminate. Es geht also darum, die Galaxis zu erforschen, die eigene Einflusszone auszudehnen, die eigene Fraktion durch Forschung weiterzuentwickeln und am Ende die anderen zu dominieren. Um zu gewinnen, müssen üblicherweise gewisse Bedingungen erreicht werden – und damit sind wir bereits bei einer Schwachstelle von “Stellaris”, denn in der vorliegenden Version gibt es nur zwei solche Siegbedingungen. Anders als andere Vertreter des Genres (z.B. “Galactic Civilizations”, “Endless Space”) läuft “Stellaris” nicht rundenbasiert, sondern in Echtzeit ab. Man kann das Spiel aber jederzeit pausieren, um in Ruhe nachzudenken, schwierige Entscheidungen zu treffen oder einen Tee zu kochen. Auch beschleunigen lässt sich der Ablauf. Die Galaxis ist mehr oder weniger auf zwei Dimensionen komprimiert, aber das sehen wir dem Spiel nach, denn in dreidimensionalen Karten verliert man schnell die Orientierung.

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Wer 4X-Games kennt, findet sich in der aufgeräumten Bedienoberfläche schnell zurecht. Wir können Forscher, Admiräle oder Gouverneure einsetzen (die übrigens altern, sterben oder abgewählt werden können), Raumschiffe bauen oder weiterentwickeln. Forschungsschiffe senden wir in Nachbarsysteme, Konstruktionsschiffe bauen Stationen, die Ressourcen abbauen, Kolonieschiffe verbreiten unser Volk auf lebensfreundliche Planeten, die gegebenenfalls zunächst terrageformt werden müssen. Auf Planeten entstehen Bauwerke, die wiederum Ressourcen erzeugen. Bisweilen finden wir Spuren antiker Aliens oder begegnen fremden raumfahrenden Völkern und nehmen dipolomatische Beziehungen auf – oder schicken eine Flotte Kampfschiffe rüber. Raumkämpfe mit ihrem fröhlichen Laser- oder Kanonenfeuer dürfen wir beobachten, selbst zum Steuer oder Feuerknopf greifen wir aber nicht. Manchmal müssen auch Weltraumpiraten ausgeschaltet werden.

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Bemerkenswert ist die Anzahl verschiedener Systeme und Alien-Völker, denen wir begegnen. So finden wir nicht nur eine Handvoll, sondern zwanzig oder dreißig andere Völker unterschiedlicher Ausprägung vor – manche freilich nur in Form von Trümmern, weil sie von ihren expansiven Nachbarn längst überrollt worden sind. Die Fremdartigkeit der Aliens zeigt sich nicht nur im Aussehen des jeweiligen diplomatischen Bevollmächtigten und in politischen Attributen, sondern auch an den Raumschiffen. So besuchen auch mal geheimnisvolle quallenähnliche Gebilde ein eigenes Sonnensystem, nur um nach dem Wiederaufladen des Warpantriebs wieder zu entschwinden.

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Ist man anfangs hauptsächlich damit beschäftigt, die Nachbarsysteme auszukundschaften, so ist es damit irgendwann vorbei, nämlich wenn man die Grenzen fremder Gebiete erreicht. Dann hilft nur noch ein bewaffneter Konflikt, um sich auszudehnen, und der gestaltet sich kompliziert. Im Geflecht diplomatischer Verknüpfungen fühlt man sich bisweilen etwas ohnmächtig. In dieser Hinsicht erinnert das Spiel stark an die ebenfalls sehr politischen historischen Spiele von Paradox. Denen entstammt übrigens anscheinend auch der Bildgenerator, der Profilfotos aller Figuren im Spiel durch geringfügige Abwandlung von Haut und Haaren erzeugt – die menschlichen Frauen schielen beispielsweise alle gleich entnervt in die Kamera.

Während Stabilität, Nutzeroberfläche, Grafik und Soundtrack durchaus überzeugen können, gibt es Abzüge in der B-Note in der Kategorie sense of wonder. Entdeckungen arkaner Artefakte beschränken sich auf einen Dialog mit briefmarkengroßer Illustration, Text und Button. Auch die fremdartigsten Aliens oder schrägsten Ereignisse (Projektile, die vor Jahrmillionen aus einer anderen Galaxis abgefeuert wurden und um ein Haar ausgerechnet unser Forschungsraumschiff zu Klump schießen!) bleiben farblos. Viele Illustrationen sind durchaus ansprechend gemalt, wo animierte 3D-Modelle vielleicht zeitgemäßer wären und mehr Möglichkeiten bieten würden. Trotzdem können wir viel Zeit mit dem Spiel verbringen: Zig spielbare Zivilisationen plus die Möglichkeit, eigene zu gestalten, sowie eine offene Schnittstelle zum Steam Workshop – das bedeutet immer neue Herausforderungen. Unser letzter kleiner Kritikpunkt ist die deutsche Übersetzung: Die Stimme des Beraters ist und bleibt englisch, und einige Texte wurden nicht optimal übertragen.

Der Multiplayer-Modus, bei dem jeder Teilnehmer eine Fraktion übernimmt, haben wir nicht getestet.

Unter dem Strich ist “Stellaris” empfehlenswert für Fans von 4X-Games und solche, die es werden wollen. Für Casual Gamer sind 4X-Spiele generell zu komplex und umfangreich. Fans von Weltraum-SciFi kommen auf ihre Kosten, ohne aber vom Hocker gerissen zu werden.

“Stellaris” ist im Handel erhältlich auf DVD und online (Steam) und läuft auf Windows, Mac OS X und Linux bei moderaten Hardwareanforderungen. (Getestet haben wir unter Windows 10 und Linux.)

Wertung-4-Sterne

Rezension: “sefer chajim – und andere böse Geschichten” von Dieter Bohn


Grundsätzlich stehe ich den selbstverlegten Werken von Möchtegernautoren ja sehr (sehr sehr) kritisch gegenüber. Hier haben wir mal wieder die berühmte Ausnahme der Ausnahmen.
Ein kleines schmales Büchlein, gerade mal 66 Seiten umfassend, das nur wenige Geschichten enthält: “sefer chajim”, “Schneekugel”, “Wäldchen ohne Wiederkehr”, “Der Tannenbusch-Zwischenfall”, “Navi-virus”, “Nichts da!”, “Hamam”, “Ein letzter Freundschaftsdienst”
Die Titelgeschichte ist einfach genial. Etwas über den Inhalt hier zu verlieren, würde zu viel verraten. Einfach lesen und genießen!
Auch die anderen in diesem Büchlein versammelten Geschichten haben ein hohes Niveau, gefällt mir rundum sehr gut.
Dieter Bohn kann schreiben, das merkt man. Die Szenarien sind einfühlsam und machen Lust auf mehr. Und da sind wir schon beim Thema, aus diesen Kurzgeschichten ließe sich mehr machen, sehr viel mehr. Das könnten Einstiege in Romane werden. – Ich würde mir jedenfalls mehr von Dieter Bohn kaufen, auch gerne längere Texte.

Wertung-5-Sterne

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